TÜBINGEN. Ralf Wettemann hat Brass-Festivals im Ausland erlebt, hat die überschäumende Atmosphäre im englischen Durham eingesogen oder beim »Festival des fanfares« im französischen Montpellier. Auch das »French Quarter Festival« 2017 in New Orleans hat er miterlebt. »Das war genau mein Ding!« Weshalb er auch in Tübingen ein Brassfest aufgezogen hat.
Das geht nun in die vierte Runde – und weitet sich. Erstens stilistisch: Nun geht es nicht mehr nur um Brass, sondern auch um Pop und Rock. Zweitens räumlich: War man bisher in Schulen und in Kneipen der Innenstadt zugange und als größtem Schauplatz im Garten des Deutsch-Französischen Kulturinstituts, so darf es diesmal schon die Panzerhalle sein. In die wandlose Säulenhalle mit Dach im Französischen Viertel passen fast 1.000 Besucher.
Das Festival wächst
Nicht ohne Grund zieht man in größere Gefilde, wie Ralf Wettemann im GEA-Gespräch erklärt. Mit dem bisherigen Format sei man an die Kapazitätsgrenze gestoßen. Die maximal 400 Plätze im Garten des Kulturinstituts waren für einen Jakob Manz reichlich knapp. Also in die Panzerhalle, die zudem noch regensicher ist.
Dort wollen die knapp tausend Plätze gefüllt sein. Brassbands, mit denen sich das schaffen lässt, gibt es, etwa LaBrassBanda oder Meute. Die allerdings seien wahnsinnig teuer, so Wettemann – mithin mit dem zur Verfügung stehenden Budget von rund 50.000 Euro nicht zu finanzieren. Weshalb nun an drei Tagen Headliner aus dem Rock-Pop-Bereich auftreten.
Mit Tübinger Bezug
Den Anfang in der Panzerhalle machen am 26. Juni Les Yeux d'la Tête. Die wollte Wettemann schon lange haben – zudem füllten die Franzosen 2024 mit ihrem verrückten Chansonpop den Reutlinger Echaz-Hafen komplett. Die 70er-Cover-Rocker Sonic Love, die am 27. Juni kommen, haben den Vorzug, dass Wettemann dort selber trommelt. Für den Festival-Auftritt möbeln drei exquisite Bläser den Rocksound auf: Trompeter Georg Lage, Saxofonist Lukas Wögler und Posaunisten Eberhard Budziat.
Auch bei den Vorbands geht's an diesem Tag bläserstark zu. Vom Schweizer Quartett Belinda Bones, das in Tübingen bereits beim Landesjazzfestival auftrat, erwartet Wettemann ein »brutales Soundgewitter« von zwei Posaunen, Sousaphon und Schlagzeug. Loud Noises, ebenfalls mit drei Bläsern und Drums, hat Wettemann bei einem Festival in Durham kennengelernt: »Das ist die totale Partyband, sehr gute Musiker, vom Erscheinungsbild her queer.«
Deutschpop und Punkrock
Am dritten Tag in der Panzerhalle geben ok.danke.tschüss den Headliner. Sängerin der Combo mit den frechen Deutschpopsongs ist die Tübingerin Eva Sautter. Davor erfreuen Sensi Simon and his Brother, ebenfalls aus der Unistadt, mit Balkanrhythmen, schräger Show und Glitzerdress.
Ralf Wettemann ist so etwas wie ein Hans-Dampf-in-allen-Gassen der Tübinger Kulturszene. Studierter Schlagzeuger, klassisch ausgebildet in Detmold, hat er in Tübingen eine eigene Schlagzeugschule aufgemacht. Auch da ist Sohn Luca inzwischen mit von der Partie. Zudem trommelt Wettemann in diversen Bands. Mit Sonic Love macht er 70er-Rock, mit den Louisiana Funky Butts New Orleans Brass, mit den Madisonbelles Country. Bei der Partyband The Jamhouse ist er zudem Sänger.
Brass & Pop Festival
Mittwoch, 25. Juni: Eröffnungsparty, 20 Uhr, Kino Museum, mit Newbrasska und Stöger singt
Donnerstag, 26. Juni: Les Yeux d'la Tête, 20 Uhr, Panzerhalle
Freitag, 27. Juni: Sonic Love and The Horns, Belinda Bones Quartett, Loud Noises, 19 Uhr, Panzerhalle
Samstag, 28. Juni: Brass-Musik in den Straßen, 11 Uhr, Innenstadt; Daimler Classic Jazz Orchestra, 14 Uhr, Marktplatz; ok.danke.tschüss, Sensi Simon and his Brother, 19 Uhr, Panzerhalle
www.brassfestivaltuebingen.de
Nun kommt eine Neugründung dazu: Mit Newbrasska will Wettemann auch bandmäßig die Brücke schlagen zwischen Bläser-Funk und Pop. Mit ihm selbst als Sänger. Er habe schon länger mal die Frontmann-Rolle ausprobieren wollen, verrät er. Vorgestellt wird die neue Formation bei der Festival-Eröffnungsparty am 25. Juni im Kino Museum. Geboten wird laut Wettemann dabei ein Mix aus Rock-Pop-Covers und Songs aus seiner eigenen Feder. Mit dabei sind die Bläser Lukas Wögler, Saxofon, Georg Lage, Trompete, und Marc Roos, Posaune. Und ein Sousaphonist mit elektronisch verändertem Instrument. Darauf habe er bestanden, so Wettemann, da er so ein Instrument in New York gehört hat. Zudem ist Frank Stöger solo zu erleben, der Schlagzeuger von DTK, hier mit der Gitarre im Anschlag. Bei freiem Eintritt soll es locker zugehen.
Das Brass & Pop Festival soll jährliche Tradition werden in Tübingen, so Wettemanns Plan. Auch darüber hinaus hat er viele Ideen. Mit seinem Sohn Luca wolle er stärker in die Event-Branche einsteigen, kündigt er an. »Da liegt in Tübingen einiges brach.« Aus seiner Sicht könnte die Unistadt durchaus ein Sommerfestival vertragen, zum Beispiel auf dem Gelände hinter der alten Mensa Morgenstelle. Auch in der Paul-Horn-Arena sieht er unausgeschöpftes Pop-Event-Potenzial. Dass die Stadt als Geldgeber einen eher überschaubaren Teil beitragen kann, ist Wettemann klar. Die eigentlich schon zugesagten 4.500 Euro Regelzuschuss pro Jahr wackelten angesichts der kommunalen Finanzmisere zunächst schon wieder. Umso mehr ist Wettemann auf der Suche nach weiteren privaten Geldgebern für das Brass & Pop-Festival und seine weiteren Pläne. (GEA)