REUTLINGEN. Ingolf Lück hat den anderen Weg gewählt. Statt wie die meisten im Angesicht des Alters aufs Trimmrad zu steigen, setzt der Komiker auf »Selbst-Suboptimierung«. »Ich möchte mal in der U-Bahn von den Kids einen Platz angeboten bekommen«, schleudert er dem amüsierten Publikum in der Kundenhalle der Kreissparkasse entgegen. Und wenn man erst einmal beim Bedienen des Wasserkochers das halbe Haus abgefackelt habe (»Gott hab ihn selig, den Dackel Waldi.«), dann brauche man künftig nie wieder so ein Gerät anfassen. Gelächter.
Ingolf Lück war Spaßvogel aus der Musiksendung »Formel Eins«, er war die Nachrichtensprecherparodie in der RTL-»Wochenshow«. Seit Jahren ist er mit Soloprogrammen unterwegs, mal mehr im Solotheaterformat, mal mehr Richtung Stand-up-Comedy. Nicht alles hat gleichermaßen gepasst, aber der Ingolf Lück in der Kreissparkasse, der hatte sichtlich sein Format gefunden. Eines, das in der Mitte zwischen Stand-up und Theater schwebt – vielleicht musste er deshalb länger ausprobieren.
Der Abend beginnt nach typischer Stand-up-Manier locker plaudernd am Bühnenrand mit Witzen über das Alter – Lück ist 61. »Viertel vor tot sagt man bei uns in Köln«, frotzelt er. Doch dann setzt er sich an den Tisch, kramt in seinen Notizen, wird nicht etwa wieder zum Nachrichten-Mann, sondern zum Satiriker, der während der Show noch an seinem Programm feilt. »War das mit dem Dackel zu heftig?«, erkundigt er sich. »Dann muss ich das streichen.« Er kritzelt im Manuskript – worauf in der korrigierten Version eine noch schwärzere Pointe rauskommt.
Im ersten, stärkeren Teil witzelt er sich durch die Fernsehlandschaft, flachst selbstironisch über seinen Auftritt bei »Let’s Dance« (wo er gewann): Nein, seine Frau sei überhaupt nicht eifersüchtig gewesen, dass er mit einer blutjungen russischen Ex-Schönheitskönigin getanzt habe. »Aber die Messer bei uns zu Hause waren plötzlich auffallend scharf.«
Seine Spezialität ist jedoch, diese Stand-up-Momente in Sekundenbruchteilen in grotesk übersteigerte Geschichten zu führen. Sich hineinzusteigern, als sei ihm eine Sicherung durchgebrannt. Bis er sich wieder fängt, wie erschrocken über sich selbst. So oszilliert die Bühnenfigur Lück zwischen dem verständnisvollen Mitbürger und dem gereizten Wüterich, der am liebsten Falltüren ans Ende jeder Kaufhaus-Rolltreppe einbauen würde – für all die Trödler, die dort völlig sinnlos stehenbleiben. Das Schillern zwischen nettem Typ von nebenan und entgleistem Wutstilzchen hat er einfach enorm gut drauf.
Reality-TV-Formate wie die Auswanderer-Serie »Goodbye Deutschland« oder die Kuppelshow »Bauer sucht Frau« bekommen so ihr Fett weg. Im zweiten Teil, der wieder näher an der typischen Stand-up-Comedy rangiert, ist Veit, der Freund der 18-jährigen Tochter, das rote Tuch. Das schwärzeste Rachefantasien im nicht-loslassen-könnenden Papa weckt.
So mischt Lück das Kumpelhafte, Nette, mit dem viele seiner Kollegen unterwegs sind, geschickt mit dem Skurrilen, Absurden und leicht Pathologischen. Das macht er einfach meisterhaft – und das Publikum hatte seinen Spaß dabei. (GEA)

