Das Herz der Weihnacht meint man in Bachs wunderbarer Musik pochen zu hören. Seelenvolle Klänge, ein zugrunde liegendes Staunen, ein Musizieren mit Struktur und innerer Anteilnahme sind da von den Ausführenden gefragt. Vom ersten Ton an wissen die Sänger und Musiker in der fast voll besetzten Halle diesen Anspruch einzulösen.
Klar zeichnend und klangsensibel
Die Aufmerksamkeit aller ist hoch, über die ganze Strecke von fast anderthalb Stunden hinweg, was bei einem Knabenchor durchaus nicht selbstverständlich ist. Der Capella-Chef und musikalische Leiter des Abends, Christian Bonath, lässt nicht locker, dem zuvor Eingeübten im festlichen Rahmen Gestalt zu geben. Ohne Abstriche, ohne Nachlässigkeiten.Das gelingt – weitgehend. Mit großer Natürlichkeit. Mit dem Bewusstsein, dass alle Musik im Moment geboren sein muss, um authentisch zu sein. Auch wenn die Komposition 281 Jahre alt ist und mittlerweile mit fast jedem Smartphone in Hunderten von Aufnahmen zu jeder Zeit an jedem Ort verfügbar ist.
Der Eingangschor »Jauchzet, frohlocket!« zeigte ein von differenziertem Klangwillen beseeltes Ensemble, das im Orchester eine von den Trompeten überstrahlte und von der Pauke angetriebene Sogwirkung entfaltete. Das Tempo war gut gewählt, neben aller Pointiertheit stimmte der Halt vermittelnde innere Fluss. Der Chor deklamierte großartig und hielt die Spannung über die Pausen hinweg, dass es eine Freude war. Auch war der Klang wunderbar ausgewogen.
Die folgenden Chöre und betrachtenden Choräle waren unaufgeregt, mit zeichnerischer Kraft und großer Klangsensibilität gesungen. In der ersten Kantate war es das »Wie soll ich dich empfangen« und »Ach, mein herzliebes Jesulein!«, die besonders beeindruckten, in der dritten Kantate der Chor »Herrscher des Himmels« mit seinem tänzerischem Schwung und das »Lasset uns nun gehen gen Bethlehem« der Hirten, dessen Kanonmotiv in Gegenbewegung von erregter Erwartung kündete.
»Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben«, hieß es in der sechsten Kantate mit ihrer dramatischen Schlusssteigerung, wobei Chor und Orchester das gebotene Temperament und eine federnde Energie an den Tag legten.
Gänsehaut-Momente
Der würdevoll schlicht gestaltete, andächtige Choral »Ich steh an deiner Krippen hier« bot einen jener Anmut und Ergriffenheit atmenden Gänsehaut-Momente, für die Bach im besten Falle steht. Auch der Schlusschoral »Nun seid ihr wohl gerochen« brachte all das noch einmal auf den Punkt, womit die Sänger und Musiker den Abend über aufgefallen waren: Ernsthaftigkeit, Hingabe, Freude am Musizieren sprachen aus jedem Takt.Neben den Trompeten sind die tonschön, in herrlichen Farben malenden Holzbläser zu nennen, die Sologeige und die Continuo-Gruppe, die der Aufführung Glanz verliehen. Und natürlich die Vokalsolisten: Jan Jerlitschka, der in der stimmungsvoll verhaltenen a-Moll-Arie »Bereite dich, Zion« Zauber und Schönheit in seiner Stimme vereinte; Til Krupop, der in »Nur ein Wink von seinen Händen stürzt ohnmächt’ger Menschen Macht« mit seinem feinen, schnörkellos geführten Sopran göttlicher Gewissheit Ausdruck gab; der Tenor Jonas Boy, der in den Rezitativen Präzision und Ausdruck zeigte und in der Arie »Nun mögt ihr stolzen Feinde schrecken« mit stimmlicher Geschmeidigkeit überzeugte – allerdings war das Orchester an dieser Stelle ein wenig zu laut; und schließlich Florian Küppers’ Bass, der, ausdrucksstark und auch in den tiefen Lagen tragfähig, in »Großer Herr und starker König« Verve und Wohlklang in beeindruckender Weise miteinander verband.
Der Jubel des Publikums war am Ende zu Recht gewaltig. (GEA)