Deshalb verdiente allein schon das Unterfangen des Capella-vocalis-Leiters Christian Bonath alles Lob. Über die verblüffenden Qualitäten dieser Komposition des 15-Jährigen hinaus war es aber auch eine Interpretation von hohem Rang, wenngleich die naturgemäß knappen Probezeiten doch in der Feinabstimmung noch etwas Luft zur Perfektion hin ließen.
Der italienische Text dreht sich um die biblische Judith, die schöne und fromme Witwe Giuditta, die sich mutig ins Heerlager des feindlichen Feldherrn Holofernes wagt, den betrunkenen gemachten Belagerer eigenhändig enthauptet und so die in Betulia bedrängten Israeliten errettet.
Die stimmlich allesamt eher lyrisch gefärbten Gesangssolisten sind vielleicht an erster Stelle zu nennen. Denn geradezu rücksichtslos oder übermütig fordert der jugendliche Komponist ihnen durch die Bank ein Höchstmaß an Virtuosität in den Arien und gestaltende Ausdauer in den ausgedehnten Rezitativen ab, die der Dirigent meist am kleinen Orgelpositiv begleitete.
Die Partie des Ozia verlangte von Markus Schäfer Stimme, was man einen Koloratur-Tenor nennen könnte. Er war dem Kraftakt voll gewachsen, wenngleich er die immensen Anstrengungen manchmal nicht ganz verbergen konnte.
Die Sopranistin Susan Eitrich in der Rolle der Amital, einer Art mahnender Kassandra, kam nicht immer ganz durch gegen das sehr stilsicher, elegant und temperamentvoll aufspielende Kammerorchester der Philharmoniker.
Auch bei der gestalterisch sehr eindringlich geformten Partie der Giuditta von Margot Oitzinger war die sprachliche Kontur nicht durchgängig deutlich.
Neben dem Bassisten Markus Volpert als Achior drang erstaunlicherweise der Mezzo oder Altus des 1998 geborenen Capella-vocalis-Eleven Jan Jerlitschka in den Nebenrollen von Cabri und Carmi vom Volumen her am besten durch. Allerdings hatte der jugendliche Wolfgang Amadé Mozart bei deren Rollen vielleicht auch noch am ehesten Maß gehalten mit der stimmlichen Akrobatik.
Sauber ausgearbeitet
Nicht nur dem Orchestersatz hört man – nach einer düster dramatischen Ouvertüre in d-Moll – schon den unverkennbaren Mozart-Ton an, mit der Liebe zu Skalen, der verspielten Eleganz seiner oft einfachen Figuren und charmanten Verzierungen.Vor allem aber zeigt das Stück schon in voller Ausprägung, was bei aller frühreifen Kenntnis der Formen und Konventionen vielleicht das Unvergleichliche an Mozarts dramatischem Genie ausmacht: die von niemandem sonst so erreichte Fähigkeit, sich mit der Intensität seiner Musik in die geforderten Emotionen und Affekte einzufühlen, ganz gleich ob religiös inniger oder opernhaft dramatischer Art. Gerade Gebet und Oper verbinden sich in »La Betulia liberata« auf ganz besondere und ungewöhnliche Weise.
Der Knabenchor Capella vocalis, bei dieser großartigen Aufführung gut 50 Stimmen stark, muss selbstverständlich auch angemessen gewürdigt werden, wenngleich sein Part keine übertriebenen Schwierigkeiten aufweist. Die klangliche Eleganz und Homogenität dieser erhaben schönen homofonen Sätze will auch erst mal sauber ausgearbeitet und tragend in den Saal gebracht sein.
Trotz der Längen(n) von mehr als zwei Stunden mit einer schwer zu verfolgenden Handlung applaudierten die Zuhörer in der gut zur Hälfte gefüllten Stadthalle ausdauernd. (GEA)