Kalle will kein Schaf mehr sein, keiner von den Glockenträgern wie der Klugscheißer Rene, der zufrieden seinen Halsschmuck bimmeln lässt. Die fröhlich-verträumte Locke mag beide gleich gut leiden, was bei Kalle Eifersucht auslöst. Denn Kalle möchte mehr: Leben in der Bude, den Geschmack von Freiheit und Locke ihm ergeben und untertan. Dazu bewirbt er sich um den Job des Wolfs. Der hat bei der Story mit Rotkäppchen eben sein Leben gelassen, die Stelle ist frei. Watschelt Kalle am Anfang noch tapsig im zotteligen Wolfskostüm daher und nuschelt wegen des künstlichen Gebisses, setzt er die scharfen Zähne bald zielgerichtet ein.
Locke wird zur Jägerin
Locke ist entsetzt, als sie die Überwältigung des Jugendfreundes durch das Böse realisiert. Mit der Übernahme der Retter-Rolle als Jäger katapultiert sie sich aber selbst jenseits der Moral. Einzig Rene behält den Überblick, er verhindert Kalles Tod und verbannt Wolfs- wie Jägerkostüm aus ihrem Leben als Schaf, wobei sich ihm Locke und Kalle - wenn auch erst widerwillig - anschließen.Der Zwerg von der Arbeitsagentur zweifelt ob dieser Bewerber, die mitten in der Probezeit ihren Job hinschmeißen, an seiner Eignung als Berufsberater und überlegt, lieber etwas Kreatives - vielleicht mit Musik? - zu machen. In der Punkrock-Band im Nachgang zum Stück findet die Crew dann ihr Ventil für die Träume von Macht und Freiheit.
Die Inszenierung von Felix Schmidt am LTT-Kinder- und Jugendtheater bezaubert durch ihren Charme, ihren Realismus und die eindrückliche Symbolik. Der Charme steckt im spielerischen Umgang mit Versatzstücken aus der Erwachsenenwelt wie der Arbeitsagentur und der von Christian Dähn und Sarah Lesch konzipierten Musik.
Überzeugend ist aus dem Jugendalltag das Ausprobieren von Rollen und das Sich-Herbeifantasieren von Fähigkeiten übernommen worden. Eingehüllt werden die kindlichen Konflikte von Ausstatterin Bianca Karaula in archaische und märchenhafte Muster: Die metallische Wolfskopf-Maske hat ein langes Maul mit spitz gezackten Zähnen.
Wie eine grüne Woge steigt der Boden leicht nach hinten an, durch einen Graben vom transparenten Hintergrund getrennt. Links steht ein niedriger, oben offener Turm, die Arbeitsagentur. Vieleckig und leicht schief schwimmt sie wie eine Boje auf dem Grün, aus dem der herrische Zwerg sich reckt und Hoffnung in Form von Jobs verteilt.
Wiederkäuende Charaktere
Henry Braun, Stefanie Klimkait und Rupert Hausner spielen Kalle, Locke und Rene mit gut ausbalancierter Mischung von Typisierung und Individualität. Als Schafe trappeln sie ein wenig linkisch sowie andauernd fressend und wiederkäuend über die Bühne. Die Charaktere gestalten sie detailliert und treffend. Insbesondere Braun gelingt die Entwicklung zum Wolf überzeugend. Magdalena Flade wiederum ist ein herrlich überzeichneter übellauniger Bürokraten-Zwerg.Weitere Aufführungen am 24. Januar, 17., 18., 20. Und 21. Februar sowie am 1., 6. Und 15. März um 18 Uhr. (GEA)