DUSSLINGEN. Das Konzert hatte für Dußlingen eine besondere Bedeutung: erstmals mit Mendelssohns »Elias« große Klassik in der nagelneuen Kulturhalle – und die lokale Premiere für den Dirigenten Benjamin Wolf, der als Lehrer von der Tübinger Geschwister-Scholl-Schule ans Dußlinger Karl-von-Frisch-Gymnasium wechselt. Sein Coro Vivo und die Freie Sinfonie blieben mit dem zweiten Konzert in der Stiftskirche allerdings auch ihren Tübinger Wurzeln treu.
Spielfreude und Spaß am Gesang siedeln die beiden 2005/06 aus studentischer Privatinitiative heraus gegründeten Ensembles ganz oben an – und werben um neue Mitmusiker mit einem »außerordentlich sympathischen Miteinander«. Das merkt man. Einerseits an einer Stärke von 80 Stimmen und einer vollen sinfonischen Orchesterbesetzung, andererseits an der Ausstrahlung und einer Qualität, die großen Werken wie Felix Mendelssohn Bartholdys mächtigem und zartem Oratorium »Elias« vollkommen gewachsen ist.
Mit dem Fluch des Elias leitet Mendelssohn sein Propheten-Oratorium ein. Die folgende Ouvertüre zeigte das Orchester sehr gut vorbereitet, sicher und klanglich ausgewogen. Neben dem »Hilf, Herr!« hat der Chor im Verlauf noch viele hochdramatische »Turbae«-Chöre der aufgeheizten Massen zu bewältigen, allen voran die von Generalpausen durchsetzten Baals-Beschwörungen. Aber auch die sanften Teile stellen stimmlich und klanglich hohe Anforderungen. Die besonders anspruchsvollen Arien, Terzette oder Quartette, teils gemeinsam mit dem Chor, waren bei den vier Solisten bestens aufgehoben: Mit obertonreichem, durchaus dramatischem Bassbariton gab Johannes Fritsche den Propheten. Jo Holzwarth führte seinen beim Collegium Iuvenum und im SWR-Vokalensemble geschulten hellen Tenor schlank und leicht.
Spannungsvoll und mit klassischem Vibrato gestaltete Sopranistin Johanna Pommranz (noch im Masterstudium Konzertgesang) schon den Einstieg als Witwe, während die Trossinger Dozentin Livia Kretschmann ihre Mezzosopran-Alt-Stimme eher dezent und meditativ führte. Als weitere Solisten seien zunächst die Knaben von der Reutlinger Capella Vocalis nicht vergessen: Erjon Kojnara (in Dußlingen) und Julien Lang (in Tübingen) steuerten die berückenden Rufe (»Ich sehe nichts«) bei. Aus dem Chor hatten zudem Miriam Reh und Katharina Walz solide und sichere Soli.
Akustik ist subjektiv: Die trocken-direkte, aber doch tragende Akustik in der praktisch ausverkauften neuen Dußlinger Halle hätte Schwächen offenbart, die es freilich kaum gab. Aber auch mit dem Hall in der gut besetzten Tübinger Stiftskirche werden Coro Vivo und Freie Sinfonie sicherlich problemlos zurechtgekommen sein.
Nach der sinfonischen Blasmusik des Landes-Polizei-Orchesters war dies das erste große klassische Konzert nach der Einweihung der Dußlinger Doppelhalle zu Jahresbeginn. Sie hat diese Premiere auch dank des ausdrucksstarken Auftritts von Chor und Orchester unter der souveränen Leitung von Benjamin Wolf glänzend bestanden. (GEA)