BAD URACH. Mit »Freebruckner« habe das Stegreif Orchester sich wieder einmal selbst übertroffen, meinten Besucher, nachdem sie das Berliner Ensemble am Donnerstagabend bei den Herbstlichen Musiktagen mit einer Rekomposition von Anton Bruckners 7. Sinfonie erlebt hatten. Das für seine lustvollen Gratwanderungen zwischen Ehrung des Originals und Freude an der Veränderung bekannte Orchester hatte - wie schon 2023 mit »Symphony of Change« und die Male davor - in der Bad Uracher Festhalle mächtig Eindruck gemacht. Das Publikum gab seiner Begeisterung mit Standing Ovations Ausdruck.
Rekomposition und Arrangement stammten von Alistair Duncan, der als Posaunist Teil des Stegreif Orchesters ist. Die musikalische Leitung hatte Valerie Leopold, die Inszenierung lag in den Händen von Franziska Ritter.
Mit Hoffnungsschimmer
Geprägt war die eindrucksvolle Aufführung, die mit einem sanften Tremolieren aus allen vier Ecken im dunklen Raum begann, durch choreografische Elemente und Lichtdesign. Die Musikerinnen und Musiker waren barfuß im Saal unterwegs und trugen Trauerflor. Ausgehend von Bruckners berühmter Trauermusik des Adagios drückten sich in den Klängen Schmerz, Anteilnahme und Hoffnung aus. Durch die Feinnervigkeit und Expressivität des Spiels öffneten sich Räume, die dazu einluden, über die Herausforderungen und Verluste unserer Zeit nachzudenken. Immer wieder versehen mit Impulsen für Zuversicht - was zum Festivalmotto der diesjährigen Herbstlichen Musiktage, »Hoffnungsschimmer«, passte.
Es war ein Bruckner, der unverhofft auch mal zu grooven begann. Einer, in dem sich an manchen Stellen Vokalisen über die Orchesterklänge legten oder diese ersetzten. Einer, in dem dumpfe Missklänge ein anmutiges Piccoloflöten-Motiv unbarmherzig beiseite wischten, in dem Klangarchitekturen einstürzten. Auffallend waren das den Raum auch als sozialen Raum immer wieder neu definierende Zusammenspiel, die Interaktion der Musikerinnen und Musiker untereinander und mit dem Publikum. Einem Publikum, das sich nicht selten inmitten der Musik befand. Der Saal war nämlich so bestuhlt, dass es zwar eine Bühnenmitte, aber auch Aktionsflächen seitlich und hinter den Zuhörerinnen und Zuhörern gab.
Es sprudelt und gluckst
Mit Instrumenten wie Saxofon, Drumset und E-Gitarre erweiterte das mit mehr als zwei Dutzend Musikerinnen und Musikern angereiste Ensemble den klassischen Orchesterklang. Vor einem der jazzigen, aus der Improvisation heraus entwickelten Intermezzi sprudelte und gluckste es im Orchester, als handele es sich dabei um einen Bergbach oder eine Quelle. Wiederholt traten Instrumente solistisch hervor. Und es entstand ein Klangbild, in dem sich zur melodischen Kontur auch mal ein flirrender Impressionismus gesellte. (GEA)

