KIRCHENTELLINSFURT. Das Performance-Festival »Echt jetzt!« ist von Tübingen nach Reutlingen umgezogen. Staffelübergabe war am Mittwochabend auf dem Rathausplatz in Kirchentellinsfurt. Sozusagen auf »neutralem Terrain«, wie Finanzbürgermeister Alexander Kreher aus Reutlingen und Kulturbürgermeisterin Daniela Harsch aus Tübingen in ihren Grußworten betonten. Der Kirchentellinsfurter Bürgermeister Bernd Haug freute sich jedenfalls, so viele Künstler und Kunstinteressierte in der Mitte seiner Gemeinde begrüßen zu können.
Eine lange Tafel zog sich über den kompletten Rathausplatz, die längste, die der Ort wohl gesehen hat. Daran saßen die beteiligten Künstler, viele davon aus Südostasien, Organisatoren und Helfer vom veranstaltenden Theater Pädagogik Zentrum (TPZ) in Reutlingen sowie Besucher. Wie durch ein Wunder passte die ganze Schar exakt an die ellenlange Tischreihe.
Brückenschlag war angesagt. Zwischen Reutlingen und Tübingen, zwischen Künstlern und Publikum, zwischen Europa und Asien. Die Reutlinger Künstlerin Jenny Winter-Stojanovic packte das in eine griffige Performance. In ein blaues Tuch gewickelt, schritt sie langsam die lange Reihe ab. Um am Ende des Tisches in einem geheimnisvollen Tanz das Tuch von ihrem Körper zu wickeln. Das daraufhin von Hand zu Hand, von Gast zu Gast wanderte und so die ganze Tischgemeinschaft verband. Umarmungen verteilend wanderte die in Blau gekleidete Künstlerin mit den feuerroten Haaren zum anderen Ende der Tafel, um sich dort das verbindende Tuch in einem weiteren Tanz wieder um den Körper zu winden. Nun wird es weitergetragen nach Reutlingen.
Brot, Früchte, Spiegelspiele
Die ersten Festivaltage in Tübingen bilanzierten die TPZ-Vorsitzenden Volker Schubert und Andreas Hoffmann als vollen Erfolg. Die Performances der Künstler aus Asien, Europa und der Region hätten in den Stadtraum hineingewirkt und großes Interesse gefunden. Mancher Passant ging mit ungewöhnlichen Bildern im Kopf nach Hause. Die Künstler aus so vielen Ländern wiederum waren sichtlich zur Gemeinschaft zusammengewachsen.
Am langen Tisch stärkten unter dem Motto »Brot und Rot« Gebäck und rote Früchte den Magen und den Austausch. Auf Anregung von Volker Schubert wurden Botschaften aufs Tischtuch gemalt für all jene, die später am selben Platz sitzen würden. Das reich verzierte Tuch sollte als Kunstwerk nach Reutlingen weiterwandern und dort während des Festivals auf dem Marktplatz gezeigt werden.
Die Wiener Künstlerin Claudia Bühlmann ermunterte die Schar zu improvisierten Performances. Die Gegenübersitzenden sollten sich Bewegungen vormachen und sie gegenseitig aufgreifen. Ein wundersamer Tanz der Gesten entspann sich. Ein besonders anmutiges Bewegungstheater kreierte dabei der Reutlinger Finanzbürgermeister Kreher im Zusammenspiel mit einer Künstlerin aus Thailand. Da offenbarten sich neue Talente.
Gastgeschenke wurden ausgetauscht. Dazu gehörte die Mini-Performance einer deutschen Gruppe zum Revolutionslied »Die Gedanken sind frei« auf einem runden Teppich, auf den spiralförmig der Text aufgemalt war. Der philippinische Künstler Boyet De Mesa fühlte sich davon angesprochen, kämpft er doch in seinem Land gegen die brutale Unterdrückung der Bevölkerung. So sah man De Mesa alsbald mit den deutschen Teilnehmern im Kreis tanzen und »Die Gedanken sind frei« singen. Ein berührendes Bild europäisch-asiatischer Solidarität. (GEA)
FESTIVAL-INFO
Seit gestern läuft das Festival in Reutlingen. Heute und morgen sind noch Performances in der Innenstadt (Marktplatz, Tübinger Tor, Bürgerpark, Heimatmuseumsgarten, Echazufer). Beginn ist jeweils um 17 Uhr. Am Samstag ist Schluss-Performance aller Künstler um 19 Uhr auf dem Marktplatz. Parcours-Pläne gibt’s auf dem Marktplatz.