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Berlinale-Gewinner »Dahomey« bei den Französischen Filmtagen

Der Dokumentarfilm »Dahomey« zeigt die Rückgabe von aus Afrika geraubten Kunstschätzen. Jetzt war der Berlinale-Gewinner - mit einem Nachgespräch - bei den Französischen Filmtagen zu sehen.

Der Dokumentarfilm »Dahomey« zeigt die Rückgabe von aus Afrika geraubten Kunstschätzen.
Der Dokumentarfilm »Dahomey« zeigt die Rückgabe von aus Afrika geraubten Kunstschätzen. Foto: Les Films du Bal/Fanta Sy/dpa/dpa
Der Dokumentarfilm »Dahomey« zeigt die Rückgabe von aus Afrika geraubten Kunstschätzen.
Foto: Les Films du Bal/Fanta Sy/dpa/dpa

TÜBINGEN. Für viele überraschend hat in diesem Jahr ein Dokumentarfilm - »Dahomey« - den Hauptpreis der Berlinale, den Goldenen Bären, gewonnen. Die französische Filmemacherin mit senegalesischen Wurzeln Mati Diop begleitet darin die Rückgabe von 26 der königlichen Schätze des Königreiches Dahomey an Benin. Diese waren während der Kolonialzeit geraubt und nach Frankreich gebracht worden.

Senegal hat »Dahomey« als Beitrag für die Oscarverleihung 2025 in der Kategorie »Bester internationaler Film« eingereicht. In Deutschland läuft die Dokumentation seit Kurzem regulär im Kino. Bei einer Vorführung im Rahmen der Französischen Filmtage im Tübinger Kino Museum waren am Donnerstagabend der senegalesische Kulturwissenschaftler und Journalist Thierno Ibrahima Dia und die Leiterin des Stuttgarter Linden-Museums, Inés de Castro, zu Gast. Filmemacherin Mati Diop, bekannt unter anderem für ihren Film »Atlantique«, der 2019 bei den Filmfestspielen in Cannes mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde, konnte wegen anderer Verpflichtungen nicht dabei sein.

Ausstellung im Präsidentenpalast

So behutsam, kühl und technisch im Film der Transport der Kulturgüter im Musée du quai Branly in Paris vorbereitet wird, so leidenschaftlich diskutieren gegen Ende der Dokumentation Studentinnen und Studenten der Université d’Abomey-Calavi in Benin darüber, was sie von der Rückführung halten. Dazwischen sieht man Bilder einer tanzenden Bevölkerung in Cotonou, die die Kunstschätze feierlich begrüßt. Bilder davon, wie ein Museum im Präsidentenpalast in Cotonou für die Exponate hergerichtet wird. Und wie eine Riege von Honoratioren und später auch ganz normale Familien die zurückgegebenen Figuren dort ehrfürchtig in Augenschein nehmen.

Mati Diop bedient sich im Film eines experimentellen Kniffs. Indem sie »Objekt Nummer 26«, eine Statue, die den Sklavenhändler König Ghézo symbolisiert, in poetisch überhöhten Passagen sprechen lässt, kommt auch eine fiktionale Ebene hinein. Mit der verfremdeten Stimme des haitianischen Schriftstellers Makenzy Orcel, der auch die von ihm gesprochenen Worte schrieb, klingen Erinnerungen an eine Zeit in den dunklen Kellern des Pariser Museums und an Afrika an. Auch daran, was es bedeutet, zu einer Nummer, einem Objekt gemacht worden zu sein.

Die Leiterin des Stuttgarter Linden-Museums, Inés de Castro.
Die Leiterin des Stuttgarter Linden-Museums, Inés de Castro. Foto: Christoph B. Ströhle
Die Leiterin des Stuttgarter Linden-Museums, Inés de Castro.
Foto: Christoph B. Ströhle

Ist die Rückgabe als Fortschritt oder als postkoloniale Arroganz zu werten? Warum nur 26 von mehreren tausend einst geplünderten Artefakten? Darüber geht der Disput. Auch darüber, was an kultureller Identität in den Jahrzehnten, die zwischen den Plünderungen und der Rückgabe liegen, verloren gegangen ist. Und über aktuelle Probleme des Landes, die verbreitete Armut, den Bildungsnotstand.

Thierno Ibrahima Dia im Kino Museum.
Thierno Ibrahima Dia im Kino Museum. Foto: Christoph B. Ströhle
Thierno Ibrahima Dia im Kino Museum.
Foto: Christoph B. Ströhle

Der Film zeige »extrem gut, welche Diskurse in den Ländern losgetreten werden«, an die Kulturgüter zurückgegeben werden, sagte Inés de Castro im Nachgespräch. »Wir hatten vor Kurzem eine Summer School mit zehn Studierenden aus Tübingen und zehn aus der University of Namibia. Da gab es sehr ähnliche Diskussionen dazu. Diese jungen Leute, die nicht mehr die Verbindung haben zu den Objekten, die hundert Jahre alt sind, und die sich dann wirklich fragen: 'Ist das meine Vergangenheit?' Das sind ganz wichtige Fragen von Identität, von Zugehörigkeit, von Kulturverständnis«, so Inés de Castro.

Thierno Ibrahima Dia bestätigte, dass die Debatte in Afrika wie in der Diaspora eine sehr rege und kontrovers geführte ist. Eine, die gerade erst so richtig Fahrt aufgenommen hat. (GEA)