REUTLINGEN. Das franz.K hat seit seiner Gründung viele Projekte hervorgebracht, aber wenig andere machen die mit dem Kulturzentrum verbundene Vision so klar wie das Inter:Komm!-Festival. Das dreitägige Musikfest folgt der Idee, »Menschen zu verbinden und Ängste vor dem Fremden abzubauen«, und das mit den Mitteln von Musik, Tanz, Kultur und persönlicher Begegnung, wie Sarah Petrasch, eine der beiden franz.K-Leiterinnen, formuliert. Womit auch das Grundanliegen des Kulturzentrums insgesamt umrissen wäre.
Beispiel für Toleranz
Seit zehn Jahren gibt es das Festival nun schon, und das Anliegen, Menschen verschiedener Wurzeln unterm Dach der Kultur zu verbinden, ist heute dringlicher denn je. »Wir wollten, es wäre anders«, seufzt Petrasch, aber im Gefolge eines Rechtsrucks nicht nur in Deutschland ist der tolerante Umgang miteinander leider wieder etwas, das man aktiv einfordern muss. Das Inter:Komm!-Festival soll dahingehend Beispiel geben. Gefragt sind hier Acts, die in ihrer Musik verschiedene Kulturen verbinden.
Damit alle in den Genuss kommen, ist der Eintritt frei. Möglich machen es viele Sponsoren. Bekannt gemacht hat man das Festival gezielt auch in Flüchtlingsunterkünften. Das Programm soll für jeden etwas bereit halten. Am Freitag, 30. Mai, und Samstag, 31. Mai, locken Konzertabende mit jeweils mehreren Acts; am Sonntagmittag, 1. Juni, hingegen ein buntes Programm mit Musik, Tanz und Puppenspiel für alle Altersgruppen.
Latin und Afrobeats am Freitag
Der Festivalfreitag steht im Zeichen von Latin-Rhythmen und Afrobeats, wie franz.K-Booker Frederik Hrusa erläutert. Headliner sind Ghetto Kumbé von der kolumbianischen Karibik-Küste. Sänger/Produzent El Guajiro, Perkussionist Chongo und Afrotrommler Doctor Keyta präsentieren sich gerne in wild-fantasievollen Dschungel-Kostümen. Ihr stilisiertes Urwald-Image versetzen sie mit elektronischen Sounds in die Sphäre von Techno und House.
Eingetrommelt auf dieses afro-futuristische Klangerlebnis werden die Besucher von der Band Safnama. Seit 1999 lässt die Gruppe an Djembe (Fasstrommel), Kora (Stegharfe), Balafon (Xylofon) und anderen afrikanischen Instrumenten die Musik Malis, Burkina Fasos und des Senegal aufleben. Dazu gibt's passende Tanzeinlagen.
Türkrock und Bläser-Sounds
Zwischen Belgien und Istanbul spielt sich der Festivalsamstag ab. Die Istanbulerin Gaye Su Akyol ist ein Superstar, tritt vor ihrem Reutlinger Abstecher in London auf und danach in New York, wie der zweite franz.K-Booker Matthias Xander verrät. Die studierte Anthropologin greift tief in die westliche Rock-Tradition und verbindet das mit nahöstlichen Rhythmen. Das anatolische Lauteninstrument Baglama trifft hier auf die E-Gitarre. Im Gewand einer schrillen B-Movie-Heldin lädt Gaye Su Akyol zur Reise in ein utopisches Land, in dem Toleranz Wirklichkeit ist. In ihrem aktuellen Album »Anadolu Ejderi« beschwört sie den »anatolischen Drachen« – was man gleichermaßen als Bild für die Schatten über ihrer Heimat deuten kann wie als Ermunterung zum Aufbegehren.
Eingeleitet wird der Abend von der belgischen Formation Kolonel Djafaar, die mit einer markanten Bläsersektion in Form von Saxofon, Trompete und Posaune aufwartet. Damit schlagen sie den Bogen von äthiopischer Pentatonik über nigerianische Afrobeats bis hin zu Ennio Morricones Musik für Spaghetti-Western. Danach verbindet die italienische Gruppe Nuju italienische Folklore mit urbanem Mestizo-Sound. In ihrem siebten Album »Clessidra«, auf Deutsch: Sanduhr, besingen die ursprünglich aus Kalabrien stammenden Musiker, die sich mittlerweile in Bologna angesiedelt haben, die Zeit.
Bunter Sonntag für alle
Der Sonntagnachmittag bietet wieder ein buntes Programm für Kinder wie Erwachsene. Die Puppentheatergruppe Die Poppets aus Karlsruhe wartet mehrmals mit anarchischem Figurentheater auf, das für alle Altersgruppen seinen Reiz hat, wie franz.K-Pressefrau Laura Haitz betont. Das Duo Muckemacher mit Verena Roth und Florian Erlbeck verarbeitet weltmusikalische Bezüge zu einer Musik für Jung und Alt. Bands der Reutlinger Kulturwerkstatt treten auf, der serbische Kulturverein und der Verein Dialog e.V. steuern Tanzaufführungen bei und görls e.V. bietet Mitmachangebote. Abgerundet wird das Geschehen durch Kulinarisches von migrantischen Vereinen. (GEA)