REUTLINGEN. Mit einem Augenzwinkern nahm Jan Hauf vor der Pause ein Stück Beethoven vorweg, improvisierte auf dem Schlagzeug kurz und prägnant über das sogenannte »Schicksalsmotiv« aus Beethovens 5. Sinfonie c-Moll. Eine Zugabe ohne Ansage, aber so, dass man den Bezug zum weiteren Programm erkennen konnte. Die Sinfonie gab's von der Jungen Sinfonie Reutlingen nach der Pause dann in voller Länge.
Gut gefüllt war am Sonntagabend die Reutlinger Stadthalle. Der 2006 in Reutlingen geborene, in Pfullingen aufgewachsene Jan Hauf war von der Jungen Sinfonie als Solist engagiert worden, um mit ihr das Konzert für Schlagzeug und Orchester des bulgarischen Komponisten Hristo Yotsov zu spielen. Ein Werk, bei dem aufseiten des Solisten viel Improvisationskunst gefragt ist. Allerdings so, dass sich das Zusammenspiel mit dem Orchester in klar abgesteckten Bahnen bewegt.
Poetische Bläserklänge
Und beide lieferten - souverän. Da war nichts von Zögerlichkeit zu spüren. Das Orchester nahm an vielen Stellen in dem 2015 entstandenen Werk die Rolle einer Bigband ein, spielte herrlich groovend und doch auf den Punkt. Schön, wie in den Passagen, die an klassischer Musik geschult waren oder an Filmmusik erinnerten (die der 1960 in Sofia geborene Hristo Yotsov auch geschrieben hat), poetische Bläserklänge, ein lyrisches Violinsolo und bulgarische Folklore eingewoben waren. Letztere ist geprägt durch ungerade Taktarten. In Verbindung mit dem häufigen Wechsel der Taktart - vom Orchester wie vom Solisten großartig gemeistert - entfaltete sich eine pulsierende Wirkung, war durchweg das Gefühl von Bewegung und Spannung zu spüren.
Jan Hauf ließ es geruhsam angehen, steigerte sich in Kadenzen aber zu aberwitziger Virtuosität. Wobei man als Zuhörer doch nie das Gefühl bekam, dass sein Spiel ins Chaos abdriftet. An einer Stelle klang Haufs Solo wie auf dem Exerzierplatz, dann wiederum vermeinte man die Eleganz, Entspanntheit und stylishe Nonchalance eines New Yorks der 1960er-Jahre vor sich zu haben. Als hätten George Gershwins (1898-1937) sinfonische Jazzkompositionen ein Echo gefunden.
Es hat geknistert
Jazzfreunde in Reutlingen und Umgebung wissen längst um Jan Haufs enorme Qualitäten als Musiker. Spätestens seit dem fulminanten Auftritt mit der Jungen Sinfonie - es knisterte förmlich zwischen beiden - haben sich diese Qualitäten auch unter Klassikliebhabern herumgesprochen. Das Publikum feierte die gemeinsame Darbietung mit kräftigem und anhaltendem Applaus.
Ein 2004 von den Hörern der BBC zum »traurigsten klassischen Stück« gewähltes Werk von Samuel Barber, das »Adagio for Strings« von 1936/38, war im Anschluss zu hören. Junge-Sinfonie-Dirigent Konrad Heinz entschied sich für ein vergleichsweise straffes Tempo. Das dicht gesponnene Netz aus Melancholie verlor so ein wenig an Wirkung. Man hat diese Musik schon zarter, zerbrechlicher gehört. Gleichwohl gelang es den jungen Musikerinnen und Musikern, jeden Akkordwechsel zum Ereignis zu machen, mit den Klängen mal mehr Licht, mal mehr Schatten zu zeichnen und mit der Tiefe der Empfindung zu berühren.
Wucht und Schönklang
»Ta-ta-ta taaa« erklang nach der Pause das berühmte Anfangsmotiv, die drei Achtelnoten mit abschließendem Terzsprung, aus Beethovens »Schicksalssinfonie«. Die Junge Sinfonie hatte sich hörbar auf Augenhöhe mit dem Werk begeben, spielte es mit Konsistenz und großer Frische. Gelungen das kurze Horn-Motiv im Fortissimo, das im von Dramatik geprägten Kopfsatz zum Seitensatz überleitete. Wucht und Schönklang gingen in dieser Musik Hand in Hand, die mal von lyrischen Stimmen durchzogen, mal griffig und markant daherkam. Im zweiten Satz ergingen sich die Instrumente in schwelgendem, ausladendem Gesang, das marschartige Thema und die raumgreifende Coda waren stimmig gestaltet.
Beeindruckend auch das Fanfarenthema im Scherzo und das stürmische Fugato des Trios, das in den tiefen Streichern begann, um sich dann mit den Blasinstrumenten in die Höhe zu schrauben. Das Finale, geprägt von einem jubilierenden Marschthema, Triolen und dynamischen Kontrasten, machte den Eindruck einer gelungenen Aufführung vollends rund, an der alle, von den Kontrabässen bis zur Pauke, ihren Anteil hatten. (GEA)