BERLIN. Die Beatsteaks gehören zu den wenigen Indierock-Bands, die regelmäßig Charts-Weihen erlangen. Die Songs ihrer neuen, neunten Platte »Please« präsentieren die Berliner nicht nur auf den großen Bühnen des Landes, sondern auch in autonomen Jugendzentren. Von Sänger Arnim Teutoburg-Weiß und Drummer Thomas Götz erfuhr Olaf Neumann in der Kreuzberger Bandzentrale, warum die Beatsteaks sich als gelebte Demokratie verstehen und weshalb ihr Feuer noch immer lodert.GEA: Das neue Album setzt auf jugendlichen Elan. Lebt Ihre Musik davon, sich die Leichtigkeit der Jugend zu bewahren?
Arnim Teutoburg-Weiß: Also, ich führe ein ganz normales Leben, aber in dem Moment, wo ich in unser Headquarter komme, fühle ich mich jünger. Beatstuff ist ein inselartiger Ort, an dem wir rumspinnen können, und wo der Ernst des Lebens nicht so hart zuschlägt wie im Alltag.
Thomas Götz: Ich hoffe nicht, dass wir klingen wie eine Band, die versucht, jünger zu tun als sie ist. Ich sehe uns auch nicht als eine Gruppe mit gelifteten Gesichtern in zu engen Lederjacken und gefärbten Haaren für das nächste Bandfoto.
Arnim, Sie werden am 29. Juni 50. Ist das eine Zahl, die Ihnen ein bisschen Angst macht?
Teutoburg-Weiß: Nein, gar nicht. Wir müssen große Konzerte sehr lange im Vorfeld planen. Ich habe mir von unserem Booker gewünscht, dass wir an dem Tag ein Konzert spielen und einfach das tun, was wir mein Leben lang gemacht haben. Das ist für mich das größte Geschenk.
Bands wie die Rolling Stones galten in den Sechzigern als rebellisch. Klingt Rockmusik heute nicht oft brav?
Teutoburg-Weiß: Es kommt drauf an, wo man Rockmusik hört. In der Spotify-Playlist »All Rock« wird sie sehr brav klingen. Schleppt Thomas mich aber mit ins SO36 und ich sehe dort Bands wie die Verlierer oder Tropical Fuck Storm, dann ist nichts brav. Die Rockmusik ist heute wieder jenseits des Mainstreams, und da braucht es wieder Querschießer. Sie ist momentan einfach keine Jugendmusik. Die Attitüde des Gefährlichen überträgt sich auch auf andere Genres wie Afrobeat.
Götz: Vielleicht ist es ganz gut, dass die Rockmusik gerade nicht im Scheinwerferlicht steht, weil es auf diese Weise viele neue Impulse gibt. Zum Beispiel von einer Punk-Performance von Pink Siifu, wo ich dachte, ich sehe nicht richtig. Krass!
Ihr neuer Produzent Olaf Opal hat Punkbands wie die Spermbirds produziert, aber auch Mainstream-Acts wie Ich + Ich und Michael Schulte. Wollten Sie mit Opal mit oder gegen den Mainstream segeln?
Götz: Wir haben Olaf nicht gebrieft, sondern ihm einfach Demos vorgespielt und geguckt, was er dazu sagt. Wir waren sehr neugierig auf ihn.
Teutoburg-Weiß: Sein geilster Satz war: »Ich will mit euch Krach aufnehmen, den ich mir merken kann!« Und genau das ist passiert. Er kam hier rein und wollte Feuer.
In der Zeit, in der »Please« entstanden ist, sind in der Welt viele schreckliche Dinge passiert. Hat sich das auf die Songs ausgewirkt?
Teutoburg-Weiß: Natürlich. Wir haben da nicht »Please« draufgeschrieben, weil das Cover so schön ist. Für uns heißt das: »Beatsteaks, please!« Die Platte sollte für mein Gefühl so bandmäßig klingen, wie es geht. Das Debütalbum der Pet Shop Boys von 1982 heißt auch so, und das ist eine Top-Referenz.
Ein Song heißt »Detractors« (Verleumder). Wer soll sich da angesprochen fühlen?
Teutoburg-Weiß: Die Kritiker, die Spalter. Ich bin in einer Zirkusfamilie groß geworden. Die Künstler im Osten wurden vom Staat eingestuft, das war eine schlimme Zeit. Man hat sich vorher genau überlegt, ob man etwas machen soll, weil man sich fragte, wie wohl die Meinungen dazu aussehen. Nick Cave schrieb in einem Buch: »Old songs follow us like a dozy old dog« (»Alte Lieder folgen uns wie ein schläfriger alter Hund«) Und dann »Fuck the detractors!« (Scheiß auf die Kritiker). Dieser Satz blieb in meinem Notizbuch hängen, und daraus ist dann ein Songtext entstanden.
Hätten Sie auch beim Zirkus landen können?
Teutoburg-Weiß: Klar. Meine Eltern waren in der Manege, sie haben immer trainiert. Ich fand die Bühne faszinierend, weil ich alles kannte, was da dazugehört. Selbst am Abendbrottisch sprachen meine Eltern noch über das Zirkusfestival, während ich vorsichtig sagte: »Ich habe da noch eine Frage wegen Mathe...«
Wieso ist aus Ihnen kein Akrobat geworden?
Teutoburg-Weiß: Das war so strange, als mein Vater nach der Grenzöffnung meinte: »Du lernst jetzt erstmal was Vernünftiges!« Dann habe ich drei Jahre lang Einzelhandelskaufmann gelernt. War aber auch gut, weil ich am Ende wusste, das kann ich nicht. Danach bin ich ins Berliner Nachtleben eingetaucht und in einem Proberaum wieder aufgewacht. Für einen Artisten fehlte mir der Fleiß, Akrobat bedeutet ja harte körperliche Arbeit. Ich fand die Clowns gut, die mussten nicht so hart trainieren.
Normalerweise treten Sie in großen Hallen auf, jetzt auch wieder in selbstverwalteten Jugendzentren. Zurück zu den Wurzeln?
Götz: In Brandenburg, Thüringen und Sachsen wird im September ein neuer Landtag gewählt, und ich glaube, wenn die Rechtsextremen an die Macht kommen, sind die Autonomen Jugendzentren die ersten, die verschwinden werden. Linken und alternativen Kulturprojekten wird die AfD den Hahn zudrehen. Deswegen gilt es jetzt, diese zu unterstützen und zu zeigen, wo wir selbst groß geworden sind. Autonome Jugendzentren leben vor, wie man miteinander umgehen kann. Die Entscheidung, die das Kollektiv trägt, muss für alle okay sein. Die Prinzipien, wie menschliches Zusammenleben funktioniert, sind da perfekt repräsentiert. Wir wollen zeigen, dass wir das richtig geil finden. (GEA)
Album: »Please«, ab 28. Juni (LP/CD/Digital/Stream BeatRec/Warner Music)
Live: 24. Juni, Stuttgart, LKA Longhorn (ausverkauft)