TÜBINGEN. Dass Ludwig van Beethoven sich Luigi Cherubinis Requiem fürs eigene Begräbnis wünschte, spricht für sich. Dass die Totenmesse ein Auftrag der Bourbonen zum Gedenken an den hingerichteten König Ludwig XVI. war, spricht nicht gleich gegen das Werk. Und dass der revolutionäre General Napoleon Bonaparte die Opernkarriere des Florentiners in Paris behinderte, wo er konnte, das als Kaiser beibehielt, aber letztlich eine ehrenvolle Krönung von Cherubinis Künstlerleben als Directeur des Conservatoire dann doch nicht verhindern konnte, ist eine Notiz am Rande.
Schon das in zarter Dunkelheit aufsteigende Doppelmotiv von Fagotten und Celli, mit dem Ingo Bredenbachs – mit rund 50 Stimmen auf die halbe Größe von einst verkleinerter – Bachchor und die Camerata Viva am Sonntagabend das Konzert in der immerhin zur knappen Hälfte besetzten Stiftskirche begannen, schafft eine Stimmung, die über alle Kontraste (und ein paar Längen) hinweg bleibt. Und die das Requiem in c-Moll zwischen Trost und Trauer nicht nur tief im Gedächtnis haften lässt – ganz verwandt darin übrigens dem »Deutschen Requiem« von Brahms. Sondern es auch zu einer Größe macht, die im Genre in die allererste Reihe gehört.
Weit mehr als nur Handwerk
Das ist weit mehr als das kontrapunktische, harmonische und dynamische Handwerk, mit dem Cherubini auch als Lehrer glänzen konnte. Dabei ist dieses Requiem ohne Solostimmen weder gesangstechnisch noch spieltechnisch über die Maßen schwer. Spannung zu halten und die Kontraste fein und geschmackvoll auszutarieren, ist nun aber auch keine leichte Aufgabe.
Das solide und sehr zuverlässige Orchester hätte sich vielleicht hier und da noch ein Stück weiter zurücknehmen dürfen, wo der Bachchor fast in ein Flüstern fiel; mit einer Sprachgebung übrigens, die nicht mehr so auf ein Schärfen und Zuspitzen der Konsonanten setzt, wie es zeitweise Mode war, dafür aber gewisse Abstriche an der Textverständlichkeit in Kauf zu nehmen hat. Die weitgehende Rücknahme von Vibrato im Orchester macht die zartesten und leisesten Passagen vielleicht ein wenig härter, als es den Streichern mit einer schwingenden Tönung möglich gewesen wäre.
Hervorragendes Zusammenspiel
Gemessen an der ausgeprägten Agogik, mit der Ingo Bredenbach dirigierte, war das Zusammenspiel samt allen Einsätzen hervorragend. Allenfalls in ein paar Fugenteilen wie dem »Quam olim« wackelte der gemeinsame Rhythmus zuweilen eine Spur. Das kurze »Pie Jesu« war ebenso ein Juwel wie zuvor »Sanctus et Benedictus«. So leise und sanft aus dem Jenseits herübertönend, wie Cherubinis Werk beginnt, verglimmt es mit seinem ewigen Licht, das den Toten leuchten möge.
Als Rahmen war, zu Beginn und nach dem Ende der Totenmesse, die »Nänie« von Johannes Brahms zu hören. Eine ganz andere, etwas pathetisch antikisierende Totenklage nach Worten Friedrich Schillers – ein Brahms’sches Spätwerk, in dem er Sphärisches ebenso klangleuchtend zu malen wie in klassischer Strenge zu formen versteht. (GEA)