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Astrid-Lindgren-Stoff in Stuttgart auf der Bühne: Ronja Pixeltochter

Das Stuttgarter Schauspielhaus versetzt Astrid Lindgrens Räubertochter in die Welt der Computerspiele.

Alles so schön bunt hier: Die Räuberburg im Stuttgarter Staatsschauspiel mit den Räubern Glatzen-Per (Sven Prietz), Mattis (Seba
Alles so schön bunt hier: Die Räuberburg im Stuttgarter Staatsschauspiel mit den Räubern Glatzen-Per (Sven Prietz), Mattis (Sebastian Röhrle) und Ronja (Anne-Marie Lux). Foto: Björn Klein
Alles so schön bunt hier: Die Räuberburg im Stuttgarter Staatsschauspiel mit den Räubern Glatzen-Per (Sven Prietz), Mattis (Sebastian Röhrle) und Ronja (Anne-Marie Lux).
Foto: Björn Klein

STUTTGART. Von wegen starke Männer, von wegen Räuber-Montur: Die wilden Räuber tragen hier elegante Sackkleider in Samtrot und Graublau, ihre Schwerter sind aus Pappe und zeigen deutliche Pixel. Astrid Lindgrens »Ronja Räubertochter« über die Sprösslinge zweier verfeindeter Räuberbanden ist ein Klassiker der Kinderliteratur. Regisseurin Sophie Bodamer hat die schöne Geschichte nun im Stuttgarter Schauspielhaus in die Welt der Computerspiele verlegt – eine naheliegende Wahl angesichts der Handysucht der heutigen Jugend, aber eine seltsame Kombination mit dem Leben im wilden Wald.

Die Räuberburg besteht aus Tetris-artigen Backsteinwänden, Superhelden-Buchstaben auf den Rücken der Figuren signalisieren die Zugehörigkeit zu den beiden Clans. Die Rumpelwichte düsen als haarige Pacman-Klumpen gegen's Proszenium, die düstere Wilddrude scheint mit ihren weiten Flügeln dem »Herrn der Ringe« entschwebt, einzig die gepolsterten Graugnome erinnern an knorzige nordische Trolle – Katharina Hauter und Reinhard Mahlberg schlüpfen mit Hingabe in all die schrägen Fabelwesen.

Knuddeliger Birk

Alles ist bewusst in Plastik und künstlichen Farben gehalten. Die Farbe Grün gibt es nicht in dieser sterilen Welt; Bühnenbildnerin Prisca Baumann gönnt uns höchstens ein bräunliches Moos an den gemalten Baumstämmen. Die Schönheit der Natur – denn schließlich verbringen Ronja und ihr brüderlicher Freund Birk ein halbes Jahr allein draußen im Sommerwald – kommt einzig in den Gesprächen der beiden Kinder vor. Immerhin sorgt der Nebel, der reichlich aus dem Boden strömt, für eine bedrohliche Atmosphäre. Als kluge, taffe Ronja holt Anne-Marie Lux gerne mal ihr Keyboard aus dem Rucksack und wirft die Rhythmen an, Noah Baraa Meskina lässt als knuddeliger Birk auf Versöhnung hoffen, Sebastian Röhrle lebt als Ronjas Vater den Widerspruch zwischen Angeber und Hausvater voll aus und Marietta Meguid ist als Ronjas Mutter schamlos unterbeschäftigt.

Ronja und ihr Freund Birk (Anne-Marie Lux und Noah Baraa Meskina) in der verschneiten Nacht.
Ronja und ihr Freund Birk (Anne-Marie Lux und Noah Baraa Meskina) in der verschneiten Nacht. Foto: Björn Klein
Ronja und ihr Freund Birk (Anne-Marie Lux und Noah Baraa Meskina) in der verschneiten Nacht.
Foto: Björn Klein

Natürlich ist die Aufführung lustig, denn die Vorlage ist kaum totzukriegen, natürlich erkennen die kleinen Zuschauer die Bilder von ihren Handys auf der Bühne wieder – aber eine Anregung zum draußen Spielen, zum neugierigen Erkunden der Welt ist diese Inszenierung gewiss nicht. Vielleicht sollen die Erwachsenen hier erfahren, wie nüchtern doch die künstliche Bildschirmwelt ihrer Kinder ist. Auch mit der absoluten Minimalbesetzung von nur sieben Darstellern wirkt das Kinderstück in diesem Jahr ein wenig lieblos, es gibt keine großen Räuberbanden, sondern nur die beiden Familien und als Chronisten den knurrigen, in Gestalt von Sven Prietz ein wenig müde wirkenden Glatzen-Per. Das Regieteam listet zwar eine Verantwortliche für Typografie auf, von wem aber die Bühnenbearbeitung der Lindgren-Erzählung stammt, das erfahren wir leider nirgends. Die 80-minütige Aufführung macht Spaß, die Kinder sind begeistert, aber letztlich bleibt der Eindruck: ein bisschen schade. (GEA)