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Artistik mit Wort und Seele: »Chris Iris« im Tübinger Sudhaus

Das Tübinger Artistenduo »Chris Iris« betört mit seiner neuen Show »V_RST_LL_NG« zweimal ein ausverkauftes Sudhaus. Aus Worten wird dabei Bewegung.

Das Duo Chris Iris präsentiert im Sudhaus Hebefiguren, die die Schwerkraft negieren.
Das Duo Chris Iris präsentiert im Sudhaus Hebefiguren, die die Schwerkraft negieren. Foto: Jürgen Spiess
Das Duo Chris Iris präsentiert im Sudhaus Hebefiguren, die die Schwerkraft negieren.
Foto: Jürgen Spiess

TÜBINGEN. Akrobatik, die nicht mit der Zeit geht, ist langweilig. Akrobatik muss sich aber auch den Erwartungen des Publikums anpassen und sollte Magie ausstrahlen. Heutzutage ist nicht nur gefragt, souverän diverse Stile zu bewältigen; auch die Verknüpfung unterschiedlicher Kunstgattungen ist gefragt.

Genau in diese Lücke möchte das ungewöhnliche Artistenduo »Chris Iris« mit seinem neuen Programm »V_RST_LL_NG« stoßen. Bei ihrem 60-minütigen Auftritt im ausverkauften Sudhaus am Samstagabend ging es darum, die Mehrdeutigkeit des Begriffs »Vorstellung« ins Zentrum zu rücken. Nicht nur spektakuläre Artistik stand im Vordergrund; der Fokus lag darauf, den Gedankenprozess des Publikums anzuregen. Und auf der Verbindung unterschiedlicher Ausdrucksformen wie Hand-auf-Hand-Akrobatik, Sprache, Pantomime und Musik.

Mit Wort und Musik

Das moderne Zirkus-Spektakel mit Seele stellt die physische Umsetzung von Sprache in den Mittelpunkt. Denn ein Vorfall ist eben auch, wenn etwas nach vorne fällt. Und beschweren kann man sich nicht nur über etwas, beschweren kann man auch mithilfe von Gewichten. So lassen Chris und Iris gesprochene Statements einspielen, die das Duo pantomimisch darstellt. Oder Iris gibt singend und E-Gitarre spielend Einblicke in ihr Künstlerleben. Während der gebürtige Tübinger Chris, der einst im Zirkus Zambaioni begann, aus Bauklötzchen einen Turm baut, um ihn hernach auf dem Zeigefinger über die der Bühne vorgelagerte Spielfläche zu balancieren.

Aber nicht nur die Fähigkeit des Duos, die Sprache beim Wort zu nehmen, ist außergewöhnlich. Die Mischung macht‘s in den Inszenierungen der beiden Künstler, die die Schwerkraft aufheben und das Zirkusvarieté, wie wir es kennen, auf den Kopf stellen. Dabei verstehen es Iris Pelz und Christopher Schlunk, die Lücke von 42 Zentimeter, die Chris größer ist, zu nutzen. Etwa, wenn Iris von den Händen ihres Partners in die Höhe springt, in der Luft eine 180-Grad-Wende hinlegt und wieder auf seinen Händen landet. Oder wenn Chris mit der kleineren Iris spektakuläre Hebefiguren vollführt, sie gar auf der Seite seines Halses balancieren lässt, als sei sie leicht wie ein Schmetterling.

Mut zur Lücke

Die beiden Tübinger kreieren mit nur wenigen Requisiten wie Mikrofon, E-Gitarre, ein zur Treppe umfunktionierter Hocker, Kabel und Bauklötzchen eine Welt aus Vorstellungskraft und Artistik. Dabei beweisen sie Mut zur Lücke und negieren stets ihren Größenunterschied. Denn nicht nur Chris, auch die 42 Zentimeter kleinere Iris erweist sich bei dieser Show als eine ganz Große. (GEA)