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Aktuell Ausstellung

Annette Hecht-Bauer und Elke Pikkemaat in der Reutlinger Stadtbibliothek

Sie weben buchstäblich Textiles in ihre Bilder und erzählen damit originelle Geschichten: Annette Hecht-Bauer und Elke Pikkemaat stellen in der Reutlinger Stadtbibliothek aus. Brillengestelle werden dabei zum Kunstmaterial.

Dieses Kleid von Annette Hecht-Bauer ist von Brillengestellen »umflogen«. Ein anderes von Elke Pikkemaat besteht aus den durchsi
Dieses Kleid von Annette Hecht-Bauer ist von Brillengestellen »umflogen«. Ein anderes von Elke Pikkemaat besteht aus den durchsichtigen Sehhilfen. Foto: Armin Knauer
Dieses Kleid von Annette Hecht-Bauer ist von Brillengestellen »umflogen«. Ein anderes von Elke Pikkemaat besteht aus den durchsichtigen Sehhilfen.
Foto: Armin Knauer

REUTLINGEN. Das Textile und die Bildende Kunst hatten schon immer Berührungspunkte. Gemalt wird schließlich auf Leinwand – und Leinen ist Stoff. Meist bleibt das Stoffartige in der Bildenden Kunst im Hintergrund. Doch Annette Hecht-Bauer und Elke Pikkemaat holen es mit Lust hervor. Was ist hier noch Kleidung, was bereits Kunst? Und ist nicht überhaupt die Unterscheidung obsolet?

Ausstellungsinfo

Die Ausstellung »mit elan« mit Arbeiten von Annette Hecht-Bauer und Elke Pikkemaat ist in der Stadtbibliothek Reutlingen in der Galerie auf dem Podest im Erdgeschoss bis 15. März zu sehen. Geöffnet ist Dienstag bis Freitag 10 bis 19 Uhr, Samstag 10 bis 14 Uhr. (GEA)

Bei Pikkemaat und Hecht-Bauer verbünden sich beide Kategorien, das Textile mit der Kunst, das Stoffliche mit der Malerei, dem Relief, der Skulptur. Um in dieser Verschmelzung Geschichten zu erzählen: plastisch, griffig und stofflich im Wortsinn. Zu bewundern bis 15. März in der Galerie auf dem Podest der Reutlinger Stadtbibliothek unter dem Titel »mit elan«.

Bild und Kleid verwoben

Annette Hecht-Bauer geht die Sache konzeptuell an. Sie schiebt die Gattungen »Kleid« und »Bild« ganz wörtlich ineinander, »verwebt« sie im buchstäblichen Sinne. Schafft zudem Zwittergebilde zwischen Skulptur und Kleidungsstück. Auch ihre Bilder sind oft Hybride aus beiden Welten. Sie zeichnet auf demselben Grund mit Linolschnitt-Technik wie auch mit Fäden. Es ist dieser Doppelsinn aus mal gezeichneten, mal objekthaft im Raum existierenden Liniengebilden, der ihren Arbeiten den Reiz gibt. In einer Serie zu Vergänglichkeit und Neubeginn treffen sich Fotografie, Fadenelemente und genähte Literaturzitate.

Bild-Kleid-Objekt von Annette Hecht-Bauer in der Stadtbibliothek.
Bild-Kleid-Objekt von Annette Hecht-Bauer in der Stadtbibliothek. Foto: Armin Knauer
Bild-Kleid-Objekt von Annette Hecht-Bauer in der Stadtbibliothek.
Foto: Armin Knauer

Die Arbeiten von Elke Pikkemaat spielen noch stärker mit dem anekdotenhaften Potenzial von allerlei Fundobjekten, die sie ihren Arbeiten einverleibt. Nicht umsonst steht auf ihrer Visitenkarte auch »Upcycling«. Krimskrams von einem Dachboden-Streifzug formiert sich zu weißen Reliefs von surrealer Ästhetik. Auf zwei schwarzen Bildern mit aufcollagierten Silberelementen thematisiert sie die Geschichte um zwei Eheringe ihrer Großeltern, von denen mal der eine, mal der andere verloren war, wieder auftauchte oder durch einen anderen vertauscht wurde.

Skurrile Poesie der Dinge

Pikkemaat entlockt dabei ihren Fundstücken eine skurrile Poesie der Dinge. Oft baut sie dabei in ihre Bilder ganze Kleidungsstücke ein, sei es ein Hemd oder ein Unterkleid. Textilien, die einerseits mit dem Stoff des Bildgrunds förmlich verschmelzen; die andererseits den Personen von damals eine im Wortsinne stoffliche Präsenz verschaffen.

Schrift, Textil und Assemblage verbinden sich zur poppigen Bilderzählung bei Elke Pikkemaat.
Schrift, Textil und Assemblage verbinden sich zur poppigen Bilderzählung bei Elke Pikkemaat. Foto: Armin Knauer
Schrift, Textil und Assemblage verbinden sich zur poppigen Bilderzählung bei Elke Pikkemaat.
Foto: Armin Knauer

Die Künstlerin bleibt dabei nicht im Nostalgischen hängen. Stattdessen ironisiert sie. Zum einen durch den Einsatz übertrieben opulenter vergoldeter Rahmen. Zum anderen, indem sie einen Hauch frecher Pop-Art in ihre Bilder bringt. Ironisch und Pop-Art-nah ist auch ihr auffälligstes Objekt: ein Kleid, das komplett aus Brillengestellen besteht. Die begehrlichen Blicke, die sich auf den weiblichen Körper richten, der Drang der Voyeure, mit den Augen durchs Textil zu dringen, all das ist den Brillengestellen dieser Körperumhüllung bereits spöttisch eingeschrieben.

Wohl hat Pikkemaat ihrer Kreation ein Unterkleid verordnet. Doch das ist aus dem Stoff eines Werbebanners gefertigt und zeigt fotografisch eine Hand – die womöglich ihrerseits begehrlich nach dem Körper greift. Welch doppelbödige Assoziationen in diesem scheinbar so lustig-verspielten Stück. (GEA)