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Als Michelle Arabisch lernte: Die Band Beyond Borders beim Landesjazzfestival

Nordafrikanische Tradition, marokkanische Rhythmen und die Beatles - geht das? Die Band Beyond Borders bewies es stimmungsvoll im Tübinger Club Voltaire.

Beyond Borders vermischen Kulturen.
Beyond Borders vermischen Kulturen. Foto: Thomas Morawitzky
Beyond Borders vermischen Kulturen.
Foto: Thomas Morawitzky

TÜBINGEN. Über Grenzen hinaus führte sie die Freundschaft, das persönliche Faible für eine bestimmte Musik, die Neugier. Beyond Borders teilen ihren Namen mit dem Festival, bei dem sie auftreten – ob das nun Zufall ist oder Fügung, darüber mag man spekulieren. Im Tübinger Club Voltaire am Mittwochabend jedenfalls bringt das Quartett auf die Bühne, worum es geht beim Landesjazzfestival 2024: Musik, die Grenzen überspringt. Die Beatles leben auf in der Nachbarschaft weit mäandernder Melodieverläufe aus Afrika.

Beyond Borders fanden zusammen in Mannheim, Niko Seibold, Sänger und Saxofonist, erklärt es. Er selbst hat seinen Lebensschwerpunkt mittlerweile nach Basel verlagert. Zur Band gehören auch Jonathan Sell, der im Club Voltaire den E-Bass spielt, Dominik Fürstberger am Schlagzeug und Fadhel Boubaker als Sänger und auf der Oud. Boubaker wuchs auf in Tunis; die Oud, die orientalische Kurzhalslaute, Vorläuferin vieler europäischer Saiteninstrumente, erlernte er früh. Seine Kompositionen, Melodien aus Nordafrika und Interpretationen bekannter Beatles-Songs machen das Repertoire von Beyond Borders aus. Stücke von Lennon, McCartney und Harrison werden von der Band mit den Gnawa Grooves fusioniert, einer Musik der Nachkommen marokkanischer Sklaven, populär und von hypnotischer Intensität. Die Beatles heben ab, beim sanft-melodisch schwingenden »And I Love Her«, das den Abend eröffnet, bei »Don’t Let Me Down«, das von Beyond Borders zuletzt mit scharfen rhythmischen Akzenten versehen wird, bei »Michelle«, die nun träumerisch auf orientalischen Klangwolken davontänzelt, und bei »I Want You (She’s So Heavy)«, das im Original schon ein Malstrom ist, hier noch mehr zum Trance-Erlebnis wird.

Vertraute Melodien, fremder Klang

Lieder, die vielen Hörern sehr vertraut sind, klingen plötzlich fremd; spielt die Band ihr orientalisches Material, horchen Zuschauer auf, die mit dieser Kultur und ihrem Einfluss auf den jüngeren Jazz vertraut sind. Man hört Melodien, die in Nordafrika so bekannt sind wie die viel gespielten Popsongs in Europa, hört traditionelle Stücke, die aus Zeiten stammen, in denen Christen und Muslime friedlich gemeinsam musizierten, hört den trocken schnarrenden Klang der Oud, in dem eine ganze Landschaft mitzuschwingen scheint. Man hört Fadhel Boubakers ruhige schöne Stimme die Musik durchwandern, hört, wie sich Niko Seibolds Alt- oder Tenorsaxofon zu ihr gesellt, wie Bass und Schlagzeug den Fluss variantenreich vorantreiben, hört Seibold selbst, wie er mit spürbarer Hingabe die Beatles singt, hört, wie sich Anklänge an Pop, Klassik, westlichen Jazz und östliche Kultur zusammenfügen.

Am Rande erfährt das Publikum im Club Voltaire, wie Musiker sich ernähren, wenn sie mit ihren Fahrzeugen auf der Autobahn stranden und ein Lieferdienst ihnen Reis bringt, aber das Besteck vergisst: Auch in solcher Situation erweisen sich Beyond Borders als findig, kreativ und überaus originell. (GEA)