MÜNSINGEN. »Wir sind kunsthistorische Laien«, meint Martin Rath bescheiden. Zu bescheiden, denn was er und seine Ehefrau im Museum »Albmaler« im Alten Lager Münsingen seit Jahren mit Verstand und Leidenschaft auf die Beine stellen, ist zum Publikumsmagneten geworden. Auch bei der Vernissage am Mittwochabend waren wieder viele Gäste anwesend. Bis zum Herbst sind 80 Werke des Malers Hermann Umgelter zu sehen, der in der Tradition der großen schwäbischen Landschaftsmaler neue überraschende Blicke auf die Alb ermöglicht. Es ist die fünfte Sonderausstellung, die im Erdgeschoss der Sammlung zu sehen ist.
Umgelter wurde 1891 in Stuttgart-Botnang geboren und starb dort 1962. Dazwischen liegt ein langes Leben, das ihn durch halb Europa führte, konsequent im Zeichen der Kunst. Das Talent, so Rath in seiner Eröffnungsansprache, zeigte sich schon in der Schule, wobei der Vater über die Ambition, das Hobby zum Beruf zu machen, nicht erfreut gewesen sei.
Umgelter absolvierte daher zunächst eine Ausbildung als Dekorations- und Theatermaler. Danach besuchte er die Zeichenklasse von Professor Hötzer und arbeitete ab 1910 in einer kunstgewerblichen Werkstatt in München. Ebenso war Umgelter als Kirchenmaler in Stuttgart-Bad Cannstatt tätig. Ein Selbstbildnis um 1920 zeigt ihn keck, mit Zigarre, als selbstbewussten jungen Mann. Als gesetzten, energischen Herrn malte ihn sein Freund Gustav Jäger. »Doch, das trifft schon den Charakter«, sagte Umgelters Enkel Peter Hermann, der bei der Vernissage dabei war und etwa die Hälfte der Objekte beigesteuert hatte. Ein »echter Schwabe« sei sein Opa gewesen und »jessesgreiznarret« habe er werden können, vor allem, wenn es um Kriegstreiberei gegangen sei. »Deshalb hat er sich auch Töchter gewünscht. Weil die keine Soldaten werden konnten.«
Bekommen hat Umgelter jedoch zwei Söhne. Die Frauenkirche in München malte er von hinten, denn »von vorne malen sie schon alle anderen«. Umgelter konnte von der Malerei leben, betonte jedoch, er male für sich selbst. »Er hat nie ein Bild verkauft, das nicht drei Monate bei ihm in der Wohnung gehangen hat«, erzählt sein Enkel. Auftragsmalerei kam schon gar nicht infrage.
Malend über die Alb
Legendär ist die Geschichte, als Umgelter im Stuttgarter Rotwildpark über den Zaun kletterte, um dort zu malen. Dies brachte ihm die lebenslange Unterstützung von Herzogin Wera von Württemberg, durch die er auch als Soldat der kaiserlichen Marine in Wilhelmshaven ab 1911 weiter künstlerisch tätig sein konnte. »Er konnte malen wie ein Besessener«, sagte der Enkel. »In zwei bis drei Stunden hatte er ein großes Ölgemälde fertig.« Einmal wanderte Umgelter vier Wochen am Stück malend über die Alb.
Durch die Militärzeit in Norddeutschland sind auch Bilder der kargen Landschaft in Pommern zu sehen. Geradezu fühlbar ist die Einsamkeit eines Soldaten, der vor bleigrauem Himmel auf dem Deich Wache schiebt. Doch mit seinen heimatlichen Bildern, von der Bleistiftzeichnung über Aquarelle bis zu pastosen Ölgemälden, öffnet der schwäbische Spätimpressionist auch ein Fenster in eine Zeit, in der es noch Schäferkarren, Pferdefuhrwerke, wenig Straßen und Sträuße von Silberdisteln in der Vase gab.
Festgehalten wurde die warme Stimmung eines Herbstnachmittags, die Dächerlandschaft einer Stadt, eine Schafherde vor der Achalm. In einem leichten Roséton fängt sich die Sonne in der weißen Wolle. Flirrend zeigt sich die Hitze bei den »Badenden« im Schilf am Bodensee.
Ausgestellt sind auch detailreich gemalte Postkarten Umgelters, die wie seine Skizzen noch nie öffentlich zu sehen waren. (GEA)
AUSSTELLUNGSINFO
Die Ausstellung mit Bildern von Hermann Umgelter (1891–1962) ist im Albmalermuseum im Alten Lager bei Münsingen im Gebäude OF 7 bis zum 28. Oktober zu sehen, jeweils Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr. (GEA)