REUTLINGEN. Christine Zieglers Textilskulptur »Abstand und Nähe II« stimme die Betrachter ein und sensibilisiere sie »für das fragile Wechselspiel von Abstand und Nähe, für die Intimität von Berührung und Distanz«. Insofern sehr stimmig habe sie ihren Platz im Entree der Ausstellung gefunden, befand der Kulturwissenschaftler Florian Stegmaier, der die Einführung in die Jahresausstellung der Reutlinger Produzentengalerie Pupille übernahm. Eine Schau, die 31 Positionen, jene der Pupille-Mitglieder, zeigt und bis zum 9. Februar in der Galerie in der Peter-Rosegger-Straße zu sehen ist.
Es seien gerade Qualitäten seelischer Resonanz und des Auslotens subjektiver Binnenräume, »die wir beim Gang durch diese Ausstellung erleben dürfen, aber auch ganz bewusst erüben können«, so Stegmaier weiter. Jochen Warth und Jürgen Mack umrahmten die gut besuchte Vernissage mit Bluesharp- und Gitarrenklängen.
Raum für Dialog
Helmut Anton Zirkelbach vom Pupille-Vorstand betonte, dass die Schau für die Kunstschaffenden immer auch »ein Spiegelbild unserer Zeit, ein Refugium unserer eigenen Gedanken, ein Raum, der den Dialog zwischen Künstlern und Betrachtern fordert und fördert«, sei. In der Produzentengalerie gehe es nicht darum, sich in den Strudel der kurzfristigen Trends zu stürzen. »Hier geht es um die Ausdauer des Denkens, um die Kunst der Reflexion, die Fähigkeit, auch in der Verwirrung und Vielfalt eine gewisse Klarheit zu finden.«
Stegmaier ging auf alle 31 Positionen ein, darunter Arbeiten von Gisela Achour, Renate Vetter, Inge Rau, Renate Zeeden, Regine Krupp-Mez, Karl Striebel, Wolfgang Stöhr, Ulla Frenger, Christine Dohms, Uta Albeck, Roswitha Zeeb, Wolfgang Schaller, Jochen Meyder, Gisela List, Gudrun Heller-Hoffmann, Margot Spuhler, Gabriele Seeger, Kirsten von Zech-Burkersroda, Günther Sommer und Birgit Hartstein.
Meditativ durchgeformte Zeit
Stegmaier würdigte Renate Quasts rundes Acrylgemälde mit dem Titel »einfach nur blau«, in dem man sehen könne, »wie gestaltete, meditativ durchgeformte Zeit zu Farbe und Struktur gerinnt, indem die Künstlerin in der vermeintlichen Einfachheit verweilt und ein und dieselbe Farbe beharrlich, Schicht um Schicht, auf die Leinwand aufträgt und immer wieder neu mit sich selbst interagieren lässt«.
In Elke Roths Bildobjekt aus der Serie »Times are changing« sah der Kulturwissenschaftler, wie Wertstoffe wie Steinmehl, Tonerde, Holz oder Öl von der Künstlerin »auch bildhauerisch verwendet werden und uns in vielschichtiger Überlagerung wie tektonische Verwerfungen in topografischer, geradezu haptisch greifbarer Anmutung entgegentreten«. In Ingrid Swobodas Gemälde »Den Sommer feiern« führe ein stark verdünnter Farbauftrag zu hochdifferenzierten malerischen Qualitäten und verweise auf die Flüchtigkeit des Augenblicks.
Helmut Anton Zirkelbachs Radierung »Ich fülle Feld für Feld«, eine dynamische und kontrastreiche, in 15 Einzelfelder aufgeteilte Komposition, lasse ihre Betrachter nachdenken über das Verhältnis von Glauben, Zeit und den Fluss der menschlichen Existenz. Experimentierfreude zeige Xenia Muscat, wenn sie einen, wie sie selber sage, »verkrachten Druck« rette, indem sie ihn mit Pinsel und einer reichen Palette an Graustufen neu ausdeute und so mit ihren »Mondgesichtern« ein Unikat schaffe, das seinen individuellen Gehalt aus der unverhofften Wirkung verschiedenster druckgrafischer und malerischer Techniken beziehe.
Bei Jochen Warth, sagte Stegmaier, habe er den Eindruck, dass der Bildhauer sein Schweißgerät mit derselben meditativen Andacht führe wie andere den Zeichenstift oder die Radiernadel. In Hans Gunschs Ölgemälde »Spur 11« lasse sich beobachten, wie die Figuration aus einer abstrakten Räumlichkeit hervortrete. Monochrome Farbflächen ergriffen die menschliche Gestalt, brächten sie zugleich hervor und schienen sie in ihrer physischen Kompaktheit wiederum aufzulösen.
Ausstellungsinfo
Die Jahresausstellung der Produzentengalerie Pupille ist bis zum 9. Februar in der Galerie, Peter Rosegger-Straße 97 in Reutlingen, zu sehen. Geöffnet ist Freitag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr. (GEA)
Kathrin Fastnacht schenke in einer in Vernis-mou-Technik gefertigten Radierung dem titelgebenden »Schwarzen Block« einen »Reichtum inneren Lebens, eine zarte innere Struktur inmitten klarer, scheinbar massiver Formen«. Jutta Peikert zeige mit ihren keramischen Figuren den Menschen, der im Wissen um die gebrechliche Einrichtung der Welt »dennoch das Leben feiert, das Leben tanzt«.
Izumi Yanagiya macht, wie Stegmaier es formulierte, in ihrer Stickerei auf Papier »Monsterwelle« von der Möglichkeit der Kunst Gebrauch, »die Schrecken zerstörerischer Naturgewalt in der ästhetischen Kategorie des Erhabenen einzuhegen«. (GEA)