MÖSSINGEN. Eines ist sicher: Es werden noch etliche Untersuchungen notwendig sein. Deutlich ist aber auch: Für die Menschen, die im Mössinger Gebiet Nord-Ost wohnen, ist die Frage der künftigen Energieversorgung sehr wichtig. In welche Richtungen es gehen könnte, skizzierte Daniel Rudolph von den Stadtwerken Tübingen jetzt im Gemeinderat in einem Zwischenbericht zur energetischen Quartiersentwicklung. Ein Ergebnis der bisherigen Überlegungen: Zwei Wärmenetze sind möglich, die aber maximal 30 Prozent der Gebäude versorgen könnten.
»Wir dürfen nicht nur anschauen, was wir heute brauchen«, erklärte Rudolph, »sondern müssen berücksichtigen, wie sich der Wärmebedarf in Zukunft entwickelt.« Das Problem ist nur, dass das niemand genau weiß und deshalb viele Annahmen in die Überlegungen einfließen, die plausibel sind, aber auch nicht mehr.
Anhaltspunkte hat eine Umfrage geliefert, die laut Rudolph hundert »sehr gut verwertbare Datensätze« gebracht hat. Insgesamt gibt es in dem Quartier zwischen Edelmannsweg, Freibad und den Firstwald-Schulen im Norden sowie Lange Straße, Auf der Lehr und Heerweg im Süden 544 Gebäude, darunter 481 Wohngebäude. Nicht einmal 20 Prozent der Heizungen sind jünger als fünf Jahre. Mehr als ein Viertel dagegen ist älter als 25 Jahre, was zu einem Handlungsdruck bei den Eigentümern führe.
»Bei 63 Sonden würde dies etwa für 25 Prozent reichen«
Bei knapp 74 Prozent handelt es sich um Öl- oder Gasheizungen, der Bundesdurchschnitt liegt bei 68 Prozent. Knapp 15 Prozent heizen mit Wärmepumpen, knapp 10 Prozent mit Pellets. Während im Bundesdurchschnitt 16 Prozent der Gebäude mit Fernwärme beheizt werden, herrscht hier in Mössingen Fehlanzeige.
Nach den Modellrechnungen wird der Wärmebedarf in den Wohngebieten von 10.200 Megawattstunden im Jahr bis 2040 auf etwa 8.100 zurückgehen, rund 20 Prozent weniger. Der Grund sind Gebäudesanierungen und eine Umstellung der Energieträger. Zwar soll demnach ein Anteil von etwa 15 Prozent Gas- und Ölheizungen bleiben. Dagegen sollen Luft-Wasser-Wärmepumpen dann etwa die Hälfte des Wärmebedarfs decken, sofern kein Wärmenetz gebaut wird.
Für so ein Netz kommt als regenerative Energiequelle Erdwärme infrage. Die Bohrungen für die Erdwärmesonden könnten bis 200 Meter in die Tiefe gehen, wie es sie in Mössingen bereits gibt. Möglich wäre dies im Bereich Freibad und dem angrenzenden Wohngebiet um die Achalmstraße und den Edelmannsweg für etwa 50 bis 100 Wohngebäude. »Bei 63 Sonden würde dies etwa für 25 Prozent reichen, aber wir können damit nicht des gesamten Wärmebedarf des Wohngebiets decken«, erklärte Rudolph.
Ähnlich sieht es um die Langgass-Schule herum aus. Dort könnte ein Nahwärmenetz wirtschaftlich betrieben werden mit potenziellen Kunden wie den kommunalen Gebäuden, zwei größeren Mehrfamilienhäusern und dem Betreuten Wohnen. Abgesehen von diesen beiden Netzen müsste die Mehrzahl der Gebäude aber weiterhin dezentral beheizt werden.
Ein spezielles Problem ist die ehemalige Mülldeponie Mulde am Nordring. Hier gibt es im Boden außerhalb des eigentlichen Deponiekörpers höhere Temperaturen und damit mehr Wärmeeffizienz. In diesen ökologisch unbedenklichen Randbereichen könnten nochmals mindestens 1.000 Megawattstunden im Jahr gewonnen werden. Allerdings kennt niemand genau die Ausdehnung der alten Deponie. Diese müsste deshalb erst einmal gründlich untersucht werden, bevor konkrete Planungen möglich sind.
»Wie geht es jetzt weiter? Unser Beschluss hat ja Folgen für die Bürger«
»Sind die Wärmenetze bei einer Anschlussrate von vielleicht 20 Prozent überhaupt wirtschaftlich?«, wollte Ulrike Hagemann (Grüne) wissen. Man könne, antwortete Rudolph, ein Viertel des Bedarfs mit Erdwärme decken. Dazu müsse man das Netz dann eben so gestalten, dass es sehr kurze Wege gibt. Auf die Frage von Armin Dieter (FWV) nach möglichen Auswirkungen der Bohrungen erklärte Rudolph: »Man kann in diesen Gebeten problemlos bis 200 Meter Tiefe bohren.«
Für Arno Valin (SPD) bedeuten diese Zahlen, dass 70 bis 80 Prozent der Häuser nicht an ein Wärmenetz angeschlossen werden können. »Wie geht es jetzt weiter? Unser Beschluss hat ja Folgen für die Bürger.« Was kommt, antwortete Bürgermeister Martin Gönner, sei die klassische Vorgehensweise: »Wir wollten jetzt erst einmal das Potenzial aufzeigen. Wir haben bewusst dieses Gebiet gewählt, um Erfahrungen zu gewinnen, denn wir haben hier Wohngebiete, aber auch Gewerbe und kommunale Gebäude. Jetzt müssen wir die Nahwärmenetze ingenieursmäßig untersuchen, damit die Bürger dann entscheiden können, was für sie richtig ist. Das wird aber mindestens noch zwei Jahre dauern.«
Aber, versicherte OB Michael Bulander, es wird sich auch schon vorher etwas tun: Im Sommer soll es eine weitere Informationsveranstaltung für die Bürger geben. (GEA)