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Workshop in Tübingen hilft den Opfern sexualisierter Gewalt

Die Organisation »Body Voices« gab in Tübingen bei einem dreitägigen Workshop Anleitung zur körperbetonten Traumatherapie. Für die Betroffenen war die Teilnahme kostenlos.

Das Therapeutinnen- und Organisatorinnen-Team des »Body-Voices«-Workshops zeigte sich hoffnungsvoll, dass sie 30 Betroffenen sex
Das Therapeutinnen- und Organisatorinnen-Team des »Body-Voices«-Workshops zeigte sich hoffnungsvoll, dass sie 30 Betroffenen sexualisierter Gewalt helfen konnten, (von links) Eva Michielin, Sandra Hempel, Dr. Gundula Schäfer-Vogel, Debora Tassone, Brigitta Vos, Manu Lieb, Zine Balletsofer, Micha Schöller, Andrea Brummack, Andrea Rosa Simma und Noe Toscanini. Foto: Norbert Leister
Das Therapeutinnen- und Organisatorinnen-Team des »Body-Voices«-Workshops zeigte sich hoffnungsvoll, dass sie 30 Betroffenen sexualisierter Gewalt helfen konnten, (von links) Eva Michielin, Sandra Hempel, Dr. Gundula Schäfer-Vogel, Debora Tassone, Brigitta Vos, Manu Lieb, Zine Balletsofer, Micha Schöller, Andrea Brummack, Andrea Rosa Simma und Noe Toscanini.
Foto: Norbert Leister

TÜBINGEN. »Das waren die drei besten Tage meines Lebens«, hatte eine Teilnehmerin der »Body-Voices«-Workshops vor zwei Jahren nach den drei Tagen im Deutsch-Französischen Kulturinstitut betont. Am vergangenen Wochenende wurde der dreitägige Workshop für Betroffene von sexualisierter Gewalt wiederholt. »Das ist ein ganz wichtiges, innovatives Angebot«, sagte Schirmherrin und Sozialbürgermeisterin Dr. Gundula Schäfer-Vogel am vergangenen Freitag nach dem ersten Workshop-Tag.

30 Frauen hatten an dem Workshop teilgenommen, 15 Betreuerinnen und Therapeutinnen waren dabei. Sie brachten den »Überlebenden von sexualisierter Gewalt körperorientierte Therapiemethoden« nahe. Ziel sei, dass Frauen sich »von wiederkehrenden Mustern und negativen Gedanken befreien und mehr Freude, Freiheit und Frieden in ihrem Leben finden können«, erläutert Eva Michielin von der gemeinnützigen Organisation »Body Voices«. Als selbst Betroffene von sexualisierter Gewalt weiß sie genau, wovon sie spricht. »Dieser Workshop bietet einen sicheren Raum für Überlebende sexueller Gewalt«, betonte Schäfer-Vogel. Doch nicht nur das: »Hier erfahren die Teilnehmerinnen, was bei einem Trauma passiert und warum sie so wenig dagegen tun können«, so Michielin. »Ansatzpunkt bei allen Therapieformen ist der Körper.«

Ein Ventil bieten

Meditation, Baucharbeit, Atemtechnik, Singen und Tönen, Bewegung und Tanz, körperorientierte Übungen, um Stress und Traumafolgen abzubauen – die Methoden sind vielfältig. »Wir versuchen, die Ressourcen der Frauen wieder aufzubauen und ihnen auch ein Ventil zu bieten«, sagte etwa Sandra Hempel, die mit traumatherapeutischen Elementen auch auf die Energie der Gruppe setzt.

Das sei im Übrigen ein wesentlicher Punkt für alle Teilnehmerinnen: »Die Frauen erleben hier, dass sie nicht allein sind mit ihren traumatischen Erfahrungen«, betonte Traumafachberaterin Noe Toscanini. Die Teilnehmerinnen kamen im Übrigen über die Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt zu dem Tübinger Angebot – über Wirbelwind in Reutlingen etwa, über Frauen helfen Frauen in Tübingen oder auch über Feuervogel Zollernalb in Balingen. »Wir haben geschaut, für welche Frauen das Angebot passt«, sagte Manuela Lieb von Wirbelwind.

Über Tanz den Körper in Schwingung versetzen, Freude dabei finden – darauf setzte etwa Zine Balletsofer. »Das Trauma sitzt im Körpergedächtnis«, erläuterte Andrea Brummack, die einen Workshop mit Tonfeldtherapie angeboten hat. »Wir versuchen, die Traumafolgen aus dem Nervensystem abzulösen.«

Verlorenen Halt zurückgewinnen

Den verlorenen Halt, den die Frauen durch die sexuelle Gewalt erlebt haben, wiedergewinnen – »durch den Körperansatz wird die Gefühlswelt berührt«, so Brummack. »Die Sprache tritt dabei zurück.« Viele Frauen hätten nach den Erfahrungen der Therapeutinnen oft jahrelange Therapien hinter sich, »die über den Verstand ansetzt«, so Schäfer-Vogel. Dabei bestehe aber die Gefahr der Retraumatisierung, »bei den Körpertherapien geht es zunächst um Rückhalt, den die Frauen hier finden«, so Brummack. Möglichkeiten, sich in Ruheräume zurückzuziehen, seien im Deutsch-Französischen Institut vorhanden ebenso wie fachkundiges Personal, um die Frauen bei Bedarf aufzufangen.

»In den Workshops geht es darum, selbst ins Handeln zu kommen«, sagte Andrea-Rosa Simma, die mit einfachen Übungen der Bauchmassage den Weg zu »körpereigenen Quellen« ebnete. Mithilfe spezieller Atemtechniken »ist es möglich, lange blockierte Emotionen zu erreichen und aufzulösen«, betonte die Niederländerin Brigitta Vos.

Teilnehmerinnen des Workshops vor zwei Jahren treffen sich auch heute noch, sagte Michielin. »Hier wachsen Gruppen zusammen, wie in einer Familie.« Die Künstlerin und Initiatorin von »Body Voices« beabsichtigt, zusätzlich zu den regelmäßigen Nachtreffen auch noch »digitale Zusammenkünfte zu organisieren«.

Finanziert wurde der Workshop vom Wochenende über Fördermittel vom baden-württembergischen Sozialministerium, über die Stadt Tübingen und über den Rotary-Club Reutlingen-Tübingen. Für die Teilnehmerinnen waren die drei Tage kostenlos. Eine Frau, die vor zwei Jahren dabei war, hatte betont: »Zum ersten Mal habe ich eine positive Zukunftsvorstellung, was mich betrifft.« (GEA)