TÜBINGEN. Die Schadenshöhe insgesamt liegt etwas über 830.000 Euro: Eine Dreierbande wird beschuldigt, zwischen März und Juli 2024 immer wieder von Frankreich nach Deutschland eingereist zu sein, um hochpreisige, teils fabrikneue Wohnmobile zu entwenden und diese in Frankreich zu verkaufen. Dabei soll sich die Bande hierzulande Zugang zu den Parkorten verschafft, die Fahrzeuge geknackt und die Kennzeichen ausgetauscht haben.
In Frankreich soll ein Campingplatz in der elsässischen Gemeinde Kaysersberg (bei Colmar) als zwischenzeitlicher Abstellplatz gedient haben. Dort stand auch das gestohlene Campingmobil eines Tübingers, der sein Fahrzeug mit einem Tracker ausgestattet hatte. Er bekam sein Fahrzeug wieder. Bei anderen entwendeten Campingmobilen dürfte die Fahrgestellnummer ausgetauscht worden sein, ehe sie vom in Tübingen angeklagten Trio verkauft wurden.
Die drei Angeklagten stammen aus Montenegro, leben in Frankreich
Auf der Anklagebank im Tübinger Landgericht saßen gestern ein 48 Jahre alter Mann sowie zwei Frauen, eine 43, die andere 55 Jahre alt. Alle drei stammen aus Montenegro. Mindestens einen Hintermann, der noch nicht ermittelt werden konnte, soll das Trio haben. Der Mann und die beiden Frauen sollen recherchiert haben, wo sich Stellplätze befinden, dann die Orte ausgekundschaftet haben, ehe sie ihre Taten begingen.
Die Polizei in Reutlingen untersuchte zunächst den Diebstahl eines Wohnmobils im März 2024 aus einem umfriedeten Platz in Kusterdingen. Eine als Zeugin geladene Beamtin stellte damals fest, dass im Umkreis innerhalb eines halben Jahres weitere fünf Wohnmobile aufgebrochen und gestohlen worden waren. Danach, so die Zeugin, habe sie ihren Ermittlungsradius auf ganz Baden-Württemberg ausgeweitet. In den nächsten Wochen wurden weitere Taten registriert, unter anderem wurden Wohnmobile in Aichtal und in Tübingen geknackt und gestohlen.
Funkzellen-Daten brachten Ermittlungen ins Rollen
Die Ermittlungen kamen durch die Untersuchung von Funkzellen-Daten ins Rollen: Die Beamten untersuchten, welche Telefonnummern an den Tatorten, zu den angenommenen Tatzeiten, eingeloggt waren. Sie ermittelten zwei französische Telefonnummern. Die dazu gehörenden Accounts auf Tiktok, Facebook und Instagram enthielten eine Vielzahl von Lichtbildern. Mithilfe einer Gesichtsrecherche ordneten die Beamten die Telefonnummern dem 48-jährigen Govani A. und der 43- jährigen Rabija A. zu.
Zunächst konnten die Ermittler keine Fahrten der beiden nach Deutschland registrieren. Im Juni gelang es, mithilfe der Funkzellen, eine Fahrt nachzuzeichnen: Sie führte über Frankfurt nach Gera und Jena in Thüringen. Die Rückfahrt führte über Nürnberg und Augsburg. Die Beamten stellten fest, dass vier Wochen zuvor zwei Wohnanhänger vom Gelände eines Autohändlers im thüringischen Schmölln entwendet worden waren.
Kette der Diebstähle reichte bis nach Thüringen
Kurios: Als die Beamten dort nachfragten, bekamen sie zunächst die Antwort, man verkaufe Wohnanhänger, aber es fehlten keine. Später stellten die Ermittler fest, dass sich der zuständige Verkäufer zu diesem Zeitpunkt in Urlaub befand. Bei der anschließenden Bestandsanalyse stellte sich heraus, dass tatsächlich zwei Fahrzeuge fehlten.
Am 17. Juli 2024 buchten sich die Telefonnummern, mittlerweile war eine dritte ermittelt worden, ins deutsche Mobilfunknetz ein. Im Bereich Reutlingen und Tübingen wartete ein mobiles Einsatzkommando der Polizei. In Tübingen, auf Höhe des Sudhauses, nahmen die Beamten die Überwachung des Trios auf, das zunächst Rottenburg ansteuerte, wo die drei den Anbruch der Dunkelheit abwarteten.
Mobiles Einsatzkommando griff nach Diebstahl in Dußlingen zu
Danach fuhr das Trio nach Dußlingen zum Wohnwagenplatz auf dem Gelände der Firma Klett. Dort knackten sie das Vorhängeschloss des Tors, hängten einen Wohnwagenanhänger an die Kupplung ihres Zugfahrzeugs und fuhren damit in Richtung Hechingen davon. Die Beamten folgten und stellten das Trio bei Schömberg, dann nahmen sie die drei im Wagen befindlichen Personen fest – die nun vor Gericht Angeklagten.
Sie machten jeweils keine Angaben zur Person. Der Mann, der nach seiner Festnahme zunächst einen anderen Namen genannt hatte, gab nur an, nach dem Brauchtum der Sinti verheiratet zu sein. Als Beruf nannten er und eine der beiden Frauen: Flohmarkthändler. Weitere sechs Verhandlungstage sind anberaumt. (GEA)
Im Gerichtssaal
Vorsitzender Richter: Christoph Kalkschmid. Richter am Landgericht: Stefan Pfaff. Schöffen: Bernd Krebs und Yüksel Erdogan. Staatsanwältin: Franziska Hipp. Verteidiger: Fozia Hamida-Bhatti, Christian Niederhöfer und Benjamin Chiumento. Übersetzerin: Romina Lais.