KREIS TÜBINGEN. Die Zahl der ankommenden Flüchtlinge ist weiter hoch. Und sie schwankt erheblich. »Planbarkeit ist nicht gegeben«, sagt Werner Walz im Landratsamt. Zwischen 30 und 60 Menschen aus der Ukraine kommen jeden Monat in den Landkreis Tübingen – zugewiesen über die Einrichtungen des Landes für die Erstaufnahme.
Deutlicher Unterschied zum vorigen Jahr: Damals kamen die Menschen meist direkt aus der Ukraine. Jetzt treffen sie häufig nach einer Zwischenstation ein: aus Ungarn, Polen, der Schweiz, Frankreich oder den Niederlanden, wo sie zuvor Unterschlupf gefunden hatten.
Landrat Joachim Walter ist auch Vizepräsident des Deutschen Landkreistags. Er mahnt: »Die europäische Verteilung muss besser funktionieren.« Zwar gelinge es immer noch, die Menschen unterzubringen. »Aber Integration betreiben wir so gut wie gar nicht.«
»Ein gefährlicher Weg«, findet der 62-Jährige. Besonders mit Blick auf die unbegleiteten Jugendlichen. »Auf lange Sicht geht das nicht.« Nicht betreut und gefördert und ohne Aufgabe: »Da wäre ich in dem Alter auch auf dumme Gedanken gekommen«, gesteht der Behördenchef.
Falscher öffentlicher Eindruck
Dank der guten Zusammenarbeit mit den Gemeinden laufe vieles bei der Unterbringung geräuschlos ab. Aber die Zahl der Flüchtlinge sei höher als 2015. Wichtig ist dem Landrat der Hinweis auf den gravierenden Fachkräfte-Mangel, der es schwierig mache, die Aufgaben zu erfüllen.
Walz, in dessen Ressort die Aufnahme und Unterbringung fallen, wehrt sich gegen einen falschen Eindruck, der manchmal in der Öffentlichkeit entsteht, weil man dort die Hintergründe nicht kennt. So kann es vorkommen, dass das Landratsamt ein Objekt mietet und es lange leer bleibt. Die Vermieter und die Nachbarn wundern sich und vermuten Schlamperei.
Das ist ganz und gar nicht der Fall, sagt Walz. Angesichts der Schwankungen braucht die Behörde Puffer und kann es sich nicht leisten, ein Objekt erst anzumieten, wenn die Flüchtlinge schon vor der Tür stehen. Walz appelliert weiterhin an potenzielle Vermieter, Kontakt mit den Gemeinden und dem Landratsamt aufzunehmen. »Es ist entscheidend, dass wir Wohnungen kriegen.«
Weitere Krisenherde
Neben der Ukraine gibt’s weitere Krisenherde, die nachhaltig Fluchtbewegungen auslösen. Aus Syrien, Afghanistan und afrikanischen Ländern gelangen ähnlich viele Menschen in den Landkreis Tübingen. Die Schwankungen hier sind noch etwas ausgeprägter. Mal sind’s nur 20 pro Monat, dann können es aber auch wieder 70 sein.
Rund 3.300 Menschen aus der Ukraine leben derzeit im Landkreis. Wobei die offizielle Zahl nur ein Anhaltspunkt sein kann. Wie viele Ukrainer irgendwo privat untergekommen sind, wird nirgends erfasst.
Erfreulich findet man im Landratsamt das Engagement vieler Gruppen. Viele Hilfskräfte helfen mit Sprachkenntnissen in Russisch oder Ukrainisch aus. Einige der ehrenamtlichen Freiwilligen – darunter nicht wenige Studenten – hatten auch schon bei den Impfzentren Aufgaben übernommen.
Das Arztmobil fährt dreimal die Woche nach Rottenburg, wo das ehemalige Hotel Convita als Ankunftszentrum genutzt wird. Zuletzt waren dort fast 40 Menschen untergebracht – davon neun unbegleitete Minderjährige. Im Pilgerheim in Frommenhausen, dem kleinsten Stadtteil von Rottenburg, befinden sich 14 Menschen. Nach drei Wochen werden die Neuankömmlinge dann in der Regel in Wohnungen verlegt. (GEA)