KUSTERDINGEN. »Der Haushalt 2023 ist in vielfacher Hinsicht ein Haushalt der Rekorde«, betonte Bürgermeister Jürgen Soltau bei der Einbringung des Etats in der Gemeinderatssitzung am Mittwoch. Unter anderem weist der Ergebnishaushalt in diesem Jahr ein Minus von rund 800 000 Euro auf. »Wir können also mit den laufenden Einnahmen (etwa 31 Millionen Euro) unsere laufenden Ausgaben (circa 32 Millionen Euro) nicht decken, sondern müssen einen Teil unserer Rücklagen auch noch dafür verwenden«, erläuterte Soltau.
Da die Investitionen in diesem Jahr mit rund 14,7 Millionen Euro Einnahmen von lediglich drei Millionen gegenüberstehen, muss die Gemeinde außerdem einen Kredit in Höhe von 3,5 Millionen Euro aufnehmen. Die drei Großvorhaben, die den Haushaltsentwurf in diesem und den kommenden drei Jahren prägen, sind der Neubau des Feuerwehrhauses (9,9 Millionen Euro) und das neue Kinderhaus (8,2 Millionen Euro) in Kusterdingen sowie die Erweiterung der Härtenschule in Mähringen (7,4 Millionen Euro). Zwei weitere Projekte sind dieses Jahr unvorhergesehen dazu gekommen: Die Sanierung des Alten Rathauses (700 000 Euro) und die des Klosterhofs (400 000 Euro). In seiner Amtszeit von 21 sei noch so viel gleichzeitig gebaut worden, betonte Soltau.
Für den Bauhof sind in diesem Jahr Investitionen in Höhe von 541 000 Euro eingeplant. Die Dachsanierung der Härtensporthalle verursacht 2023 noch Kosten in Höhe von 200 000 Euro.
Ein weiterer Rekord ist das Datum der Einbringung. Während Kusterdingen in den vergangenen Jahren stets zu den ersten Gemeinden gehörte, die einen Haushaltentwurf vorlegte, ist sie dieses Mal im Kreis Tübingen das Schlusslicht. Ein Grund dafür sei der hohe Krankenstand in der Kämmerei, den die neue Kämmerin, Heidi Hahn »mit enormem persönlichen Einsatz« auffangen muss, betonte der Bürgermeister.
Gründe für das große Defizit im Haushalt sind unter anderem die deutlich höheren Personalkosten, die aufgrund neuer Tarifabschlüsse von 7,25 auf 7,83 Millionen Euro gestiegen sind. Aber auch die gestiegenen Energiepreise schlagen mit rund 800 000 Euro Mehrkosten zu Buche, ebenso wie ein Gewerbesteuerrückgang in gleicher Höhe.
In seiner Haushaltsrede für die Freien Wähler riet Fraktionssprecher Günter Brucklacher, sich auf 2024 und künftige Einsparmöglichkeiten zu fokussieren, da in diesem Jahr kaum noch etwas zu ändern sei. »Vielleicht könnte ein Doppelhaushalt zur Konsolidierung beitragen.«
Gudrun Witte-Borst, Fraktionssprecherin der Härtenliste, betonte, dass die Kreditaufnahme ein normaler Prozess sei, zumal man sich nach der Coronapandemie mit dem Ukrainekrieg seit 2022 bereits im vierten Jahr im Krisenmodus befinde. Sie wies auf den Klimaschutz als wichtige Aufgabe »der Daseinsvorsorge einer Kommune« hin und lobte die Prüfung eines Nahwärmekonzepts für das Quartier Kusterdingen Nord.
Der einzige Antrag zum Haushalt kam von der Härtenliste: Die Umgestaltung der Kusterdinger Ortsmitte, für die in diesem Jahr 50 000 Euro von insgesamt 225.00 Euro eingeplant waren, soll komplett auf nächstes Jahr geschoben werden. Die Kosten wären nämlich bei einer Aufnahme Kusterdingens ins Landessanierungsprogramm, die im Herbst beantragt werden soll, zu 60 Prozent förderfähig, erklärte Soltau, der den Antrag unterstützte.
Jürgen Henes (Neue Liste) sieht die vorrangige Aufgabe darin, begonnene Vorhaben abzuschließen und auf »Nice to have«-Projekte zu verzichten. Seiner Rede fügte er einen Appell vor allem an junge Leute an, sich im kommenden Jahr zur Gemeinderatswahl zu stellen. »Rücklagen sind dazu da, Dinge, die man jetzt realisieren will und muss, zu finanzieren«, ist Gerhard Mayer, Einzelkämpfer für die FDP, überzeugt. Bei einer Enthaltung von Elvira Hornung (FWV) wurde der Haushalt schließlich beschlossen. (GEA)
HAUSHALT IN ZAHLEN
Die Einwohnerzahl der Gemeinde lag zum 30. Juni 2022 bei 8 783. Die liquiden Eigenmittel sinken von 15,2 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 12,5 Millionen bis Ende dieses Jahres. Vorgeschrieben ist eine Mindestliquidität in Höhe von 480.000 Euro. Die Rücklagen reduzieren sich von 4,5 Millionen Euro zu Beginn des Haushaltsjahres auf 3,7 Millionen Euro Ende 2023. Der Schuldenstand beträgt zum 31. Dezember 2023 voraussichtlich 4,5 Millionen Euro. Anfang des Jahres lag er noch bei einer Million Euro.