Logo
Aktuell Soziales

Wo eine Pflege-WG mit betreutem Wohnen in Öschingen entstehen könnte

Stadt will mit potenziellen Trägern und Investoren über Einrichtung einer Pflege-WG in Öschingen sprechen.

Alternative: das Grundstück an der Straße Am Bächle neben dem alten Schulhaus.
Alternative: das Grundstück an der Straße Am Bächle neben dem alten Schulhaus. Foto: Philipp Förder
Alternative: das Grundstück an der Straße Am Bächle neben dem alten Schulhaus.
Foto: Philipp Förder

MÖSSINGEN. An sich ist es ja ein gutes Zeichen: 4,1 Prozent der Öschinger sind älter als 85 Jahre. »Dieser Wert ist einen Tick höher als in Mössingen insgesamt. Es scheint also, dass man in Öschingen gut alt werden kann«, erklärte Andrea Feiler, im Rathaus zuständig für den Bereich »Altersfreundliche Stadt«, im Mössinger Gemeinderat. Die Kehrseite der Medaille ist aber: Wenn es im Ort viele betagte Menschen gibt, ist ein entsprechendes Wohn- und Pflegeangebot unabdingbar.

Allerdings ist die Ausgangslage in Öschingen nicht einfach. Das Dorf ist mit seinen rund 2.900 Einwohnern zu klein für eine klassische Pflegeeinrichtung. Zudem gibt es keinen ambulanten Pflegedienst, der in Öschingen tätig ist, und die hausärztliche Versorgung ist auch nicht dauerhaft gesichert.

Weitere Standorte untersuchen

Dass ein Pflege-Angebot in Öschingen wünschenswert ist, das ist Konsens im Gemeinde- und im Ortschaftsrat. Als es jetzt um potenzielle Standorte ging, waren sich beide Gremien und die Verwaltung allerdings nicht mehr ganz so einig. Während sich der Ortschaftsrat einstimmig für einen Standort an der Gustav-Schöller-Straße aussprach, wollte sich die Verwaltung noch nicht festlegen. »Wir hatten schon unverbindliche Gespräche mit möglichen Trägern, die diesen Standort nicht für ideal hielten«, erklärte Heidrun Bernhard, Fachbereichsleiterin für Finanzen und Soziales. »Deshalb stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll ist, weitere Standorte zu untersuchen.«

In verschiedenen Veranstaltungen haben Verwaltung, Öschinger Bürger und Anbieter bereits ausgelotet, was sinnvoll wäre. Herausgekommen ist ein Konzept mit vier Bausteinen: der Förderung des barrierefreien Wohnens, der Schaffung von offenen Angeboten zur Teilhabe im Quartier, dem Aufbau eines Versorgungsnetzes aus bürgerschaftlicher Nachbarschaftshilfe und sozialen Dienstleistern sowie als vierter Stufe die Schaffung einer Pflegewohngemeinschaft mit Betreuung rund um die Uhr. »Die Idealvorstellung«, erklärte Andrea Feiler, »ist ein Gebäude mit einem Stockwerk für jeden dieser Bausteine.«

Fünf Orte in Öschingen gefunden

Ein Gebäude braucht aber ein Grundstück. Für eine trägergestützte Pflege-WG für zwölf Personen wären etwa 500 Quadratmeter notwendig. »Damit es für die Betreiber wirtschaftlich wird, sollten dazu noch etwa 20 Wohnungen für betreutes Wohnen kommen«, erläuterte Marietta Rienhardt, zuständig für die städtischen Liegenschaften. Fünf Standorte habe man in Öschingen gefunden, wobei zwei wieder aus der engeren Wahl herausgefallen seien, weil es sich dabei um private Flächen gehandelt habe.

Drei sind noch im Rennen. Gut 2.800 Quadratmeter gibt es in der Straße Am Bächle neben dem alten Schulhaus, ziemlich gut eingebunden im Ortskern. Weil dort bisher nur eine zweigeschossige Bauweise zulässig ist, drei Geschosse aber erforderlich wären, müsste der Bebauungsplan geändert werden. Die zweite Möglichkeit böte sich in der Filsenbergstraße neben der Schule; dort müsste ein Bebauungsplan aufgestellt werden.

Der dritte mögliche Standort wäre in der Gustav-Schöller-Straße. Hier könnten auf einem Grundstück die Pflege-WG sowie 24 Wohnungen auf einer gemeinsamen Tiefgarage errichtet werden; daneben wäre noch einmal ein Gebäude mit 21 Wohnungen möglich. »Das Grundstück«, heißt es in der Bewertung, »ist mit dem Bus gut zu erreichen und zeichnet sich durch die Ortsrandlage und den Berg zur offenen Landschaft aus.«

Für den Öschinger Ortschaftsrat ist die Standortfrage keine mehr. »Es hat uns gewundert, dass der Standort wieder offen ist. Es war doch von Anfang an klar, dass die Einrichtung in die Gustav-Schöller-Straße soll«, erklärte Ortsvorsteher Wolfgang Eißler (FWV). »Diese Fläche ist doch auch am schnellsten verfügbar, weil es keinen Bebauungsplan mehr braucht.« Deshalb solle in den Beschluss aufgenommen werden, dass dieser Standort bevorzugt werde.

Wer hat Vorrang?

Aus Sicht von Heidrun Bernhard sei die Zeit aber kein Faktor: »In Relation zur Nutzungsdauer des Gebäudes spielt das Bebauungsplanverfahren keine Rolle.« Auch OB Michael Bulander wollte keine frühzeitige Festlegung: »Wir haben Signale bekommen, dass der Standort etwas weit draußen ist. Wenn wir uns darauf gleich festlegen, kann uns das gewaltig einschränken.«

Ein interessantes Projekt, fand Sabine Hoppe-Reiber (SPD). »Aber wer kann da einziehen? Haben die Öschinger Vorrang?« Dies zu definieren ist aus Sicht von Andrea Feiler die Sache des Anbieters, den man ja noch nicht habe: »Wir dürfen uns glücklich schätzen, wenn wir jemand finden, der so etwas in Öschingen verwirklicht.«

Zumal Einrichtungen wie Pflege-WGs gegenüber klassischen Heimen bei der Finanzierung deutlich benachteiligt sind, was sich auf den Eigenanteil, den Bewohner zu zahlen haben, deutlich niederschlägt. »Wenn wir also Bewohner suchen für die WG, suchen wir Menschen, die solche Beträge aufbringen können«, gab Volker Gurski (FWV) zu bedenken. Vielleicht, deutete Michael Bulander an, werden die Regelungen für die Finanzierung geändert. Auf jeden Fall haben schon mal 34 Bürgermeister in dieser Sache einen Brief nach Berlin geschickt (vergl. »Versorgungskrise in der Altenpflege«. (GEA)

 

VERSORGUNGSKRISE IN DER ALTENPFLEGE

Bürgermeister-Appell an Koalitionsverhandler von CDU und SPD

Angesichts einer »drohenden Versorgungskrise in der Altenpflege« haben sich 34 Bürgermeister von Standorten des Pflege-Anbieters Benevit aus ganz Deutschland, darunter auch der Mössinger OB Michael Bulander, mit einem Brief an die Arbeitsgruppe »Gesundheit und Pflege« bei den Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD in Berlin ge-wandt. Besorgt wegen der Finanzkrise bei Pflegekassen und Insolvenzen von Pflegeeinrichtungen fordern sie, innovativen Wohn- und Pflegemodellen, wie sie etwa Benefiz anbietet, schnell den Weg zu ebnen. Es gebe praxiserprobte Versorgungsmodelle, die eine würdevolle Pflege und spürbare Kosteneinsparungen vereinen würden. »Hierfür braucht es kein Sondervermögen, keine Subvention, schlichtweg nur die Erlaubnis«, heißt es in dem Brief. Weiteres Zögern könne man sich nicht leisten. »Sonst laufen wir sehenden Auges in eine dramatische und beschämende Versorgungskrise in der Altenpflege.« (pp)