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Aktuell Streitkultur

Windkraft in Nehren als Nagelprobe für den Dialog

Die Initiative »Miteinander reden Nehren« lädt am Donnerstagabend, 22. Mai, ins »Kultursäle« ein: Gesprochen werden soll über die geplanten Windkraftanlagen - vor allem sollen Befürworter und Gegner des Projekts miteinander ins Gespräch kommen.

Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, spricht beim Ostdeutschen Wirtschaftsform. Nicht nur die große Politik,
Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, spricht beim Ostdeutschen Wirtschaftsform. Nicht nur die große Politik, auch vor Ort braucht es den Dialog. In Nehren startet hierzu am Donnerstagabend ein neues Format. Foto: Patrick Pleul/dpa/Patrick Pleul/dpa
Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, spricht beim Ostdeutschen Wirtschaftsform. Nicht nur die große Politik, auch vor Ort braucht es den Dialog. In Nehren startet hierzu am Donnerstagabend ein neues Format.
Foto: Patrick Pleul/dpa/Patrick Pleul/dpa

NEHREN. Zur Demokratie gehört der Kompromiss. Und für den Kompromiss ist die Dialogbereitschaft unumgänglich: Der Austausch von Argumenten und Meinungen, ohne dass am Ende nur der Streit übrig bleibt. Geht diese Fähigkeit, diese demokratische Grundtugend, in Zeiten der Social-Media-Filterblasen verloren? Wenn immer mehr Menschen nur noch in ihrer »Bubble« kommunizieren, statt am Stammtisch im Flecken den Austausch mit dem vielleicht unbequemen Anderen zu suchen? Heike Sinner hat dieses Gefühl. Die Nehrenerin gehört der Initiative »Miteinander reden Nehren« an. »Es gibt immer mehr Nörgler in der Gesellschaft und das Gefühl der Ohnmacht gegenüber der Politik«, meint Sinner.

Gemeinsam mit Sonja Dietsche, Katrin Lauhoff, Thomas Schlegel, Anja Gattnar und Stefan Rickmeyer war Sinner schon immer jemand, der lieber anpackt, statt sich ohnmächtig zu fühlen. So organisierte die Gruppe beispielsweise Projekte zur Ukraine-Hilfe in Nehren und im Landkreis Tübingen, einen Protest vor Ort nach den Enthüllungen des Potsdam-Skandals (»Masterplan zur Remigration«) und weitere Proteste, als die AfD versuchte, einen Stammtisch in der Steinlachtalgemeinde zu etablieren.

Förderung durch die Bundeszentrale für politische Bildung

»Ganz wenige reden heute noch miteinander, die meisten eher übereinander«, sagt Heike Sinner und fürchtet: »Die wertschätzende Kommunikation geht verloren.« Dem wollen die engagierten Nehrener etwas entgegensetzen - und haben sich bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) um einen Zuschuss beworben. Diese fördert ihm Rahmen des Programms »Miteinander reden« 100 verschiedene Gruppen in ganz Deutschland, die eben jenen Dialog im ländlichen Raum wieder befördern möchten.

Die Nehrener Initiative bekam den Zuschlag - ganz unbürokratisch, ohne ein eingetragener Verein zu sein. Insgesamt gibt es 8.000 Euro für drei Veranstaltungen. »Wir müssen in Vorleistungen gehen«, erklärt Sinner und lacht: »Hoffentlich ist die Abrechnung und Auszahlung ebenso unkompliziert, wie das eigentliche Antragsverfahren.« Unterstützung gab es für die Nehrener aber auch unmittelbar: Die Kommunikationswissenschaftlerin Dr. Anneli Starzinger begleitete im Auftrag der bpb die Planungen im Steinlachtal. »Diese Prozessbegleitung durch die Bundeszentrale war für uns sehr hilfreich - und sichert zugleich eine hohe Qualität der Dialogformate«, betont Sinner. Durch die bpb-Förderung war es beispielsweise auch möglich, mit Dr. Antje Grobe aus Dettenhausen auch eine professionelle Moderatorin zu gewinnen.

Bürgermeister Egon Betz informiert über den Planungsstand

Das Thema des ersten Abends im Kultursäle - Beginn ist am Donnerstag, 22. Mai, um 19 Uhr - ist prompt ein heikles: die Windkraft. »Wir wünschen uns, dass die Leute nicht nur ihre Meinung kundtun und versuchen, die anderen zu überzeugen«, sagt Sinner. »Wir wollen, dass man sich zuhört, den Menschen hinter seiner Meinung sieht mit all seinen Argumenten und seinen Ängsten.« Die Menschen sollten sich trotz aller Differenzen begegnen, »statt den Gehsteig zu wechseln, wenn sie sich sehen.« Deshalb gehört auch ein Ständerling zum Abschluss zum neuen Dialog-Format. »Man muss streiten können, sich danach aber auch wieder in die Augen sehen können und in lockerer Atmosphäre noch gemeinsam zusammenstehen«, wünscht sich Sinner. Am Beginn des Abends steht dagegen der Input: Bürgermeister Egon Betz wird über den aktuellen Stand der Planungen informieren, dann wird es unter anderem auch eine Phase in Kleingruppen geben. »Wir wünschen uns viele Interessenten. Und wir hoffen, dass auch die Menschen zu Wort kommen, die sich in solchen Diskussionen sonst nicht trauen, etwas zu sagen.« (GEA)