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Wie sich die Tübinger Stiftskirche weiter für Projekte öffnen könnte

Im Nachgang der Projekts leer_raum überlegt sich der Kirchengemeinderat derzeit, welche neuen Formate im Tübinger Gotteshaus möglich sein könnten.

Die Runde um Helmut Schneck (rechts), dem Vorsitzenden des Kirchengemeinderats, diskutierte darüber, wie die leere Stiftskirche
Die Runde um Helmut Schneck (rechts), dem Vorsitzenden des Kirchengemeinderats, diskutierte darüber, wie die leere Stiftskirche wahrgenommen wurde. Foto: Foto: Michael Sturm
Die Runde um Helmut Schneck (rechts), dem Vorsitzenden des Kirchengemeinderats, diskutierte darüber, wie die leere Stiftskirche wahrgenommen wurde.
Foto: Foto: Michael Sturm

TÜBINGEN. Die Stiftskirche gehört zu den Stadtbild prägenden Wahrzeichen Tübingens. Seine Kirchengemeinde möchte das altehrwürdige Gebäude der Stadtgemeinschaft gegenüber noch mehr öffnen. Das Projekt »leer_raum Stiftskirche«, mit mehreren Veranstaltungen im vergangenen Jahr, sorgte für viel positives Aufsehen. In einem Workshop im Gemeindehaus Lamm überlegten sich gut 50 Interessierte, wie es weitergehen könnte.

»Wir haben die Kirche auf neue Weise erlebt«, stellte Pfarrerin Susanne Wolf fest. In der Auswertung der gut 350 Rückmeldungen einer Befragung über mehrere Wochen kam Musik – speziell Motetten, aber auch das Gitarrenfestival – bei den Besuchern, wie zu erwarten, richtig gut an. Die Veranstalter experimentierten dazu mit für die Stiftskirche eher ungewöhnlichen Stilen wie Techno bei der Clubnacht.

Die von den Bänken befreite Kirche bot Vor- und Nachteile

Viele wünschten sich weitere Veranstaltungen zum Tanzen und sich bewegen: Jemand schrieb, im Laufen fiele es leichter zu beten und zu denken. Andere lobten die Verbundenheit in der Gemeinschaft oder die Nähe zu den Künstlern und den Liturgen, die in der leeren Kirche besser seien. Lichtinstallationen kamen gut an. Allerdings geriet manche dunkle Ecke in der Kirche zur Stolperfalle. Lesungen waren kein Erfolg: Dafür ist die Akustik in der leeren Kirche zu schlecht.

Die Stiftskirche ohne die fest eingebauten Kirchenbänke zu erleben hatte einen doppelten Anlass: Zum einen sollten Tübinger, aber auch Auswärtige, ein neues Gefühl für das Innere des Gotteshaus entwickeln. »Uns allen ist bewusst, dass der leer-raum eine besondere Zeit war. Alles was kommt wird auch besonders – und irre aufwändig«, sagte Pfarrerin Wolf.

Testballon für anstehende Renovierung der Kirche

Denn das Projekt diente, zum anderen, als Testballon: Um eine von allen Seiten als nötig erachtete Renovierung der Kirche in den nächsten fünf, sechs Jahren zu ermöglichen, müsste diese ohnehin leer geräumt werden. Laut Andrea Bachmann, bis vor einem halben Jahr, zusammen mit Helmut Schneck Vorsitzende des Kirchengemeinderats, geht es hauptsächlich um die Statik der Kirche und die Elektrik.

Die letzte große Renovierung der Kirche fand 1962 statt. Die damaligen Umbauten beendeten Standesunterschiede. Bänke für Theologen und andere privilegierte Bevölkerungsgruppen wurden abgebaut. »Damals wollte man die ganze Stadt reinbringen«, sagte Andrea Bachmann. Nach dem Umbau 1962 passten 1.200 Besucher in die Stiftskirche, seinerzeit eine von vier evangelischen Kirchen in Tübingen. Die nach Albert Schweitzer, Dietrich Bonhoeffer und dem Heiligen Stephanus benannten Kirchen wurden später gebaut.

Vier Schwerpunkte für die künftige Bespielung

Vor der nächsten Umbauphase – und in diese hinein – möchten die Kirchengemeinde nun manche der durchaus kreativen Ideen aus Reihen des Workshops umsetzen. Die Teilnehmer arbeiteten vier Schwerpunkte heraus. So soll die Gemeinschaft betonende diakonische Kirche, nicht nur durch die Vesperkirche, ausgebaut werden. Das gilt auch für die Kirche als Kulturort, nicht nur für Konzerte. Des Weiteren soll es neue liturgische Formate geben.

Nicht zuletzt: Die Kirchengemeinde möchte sich noch besser mit der Tübinger Stadtgemeinschaft vernetzen. Tübingen brauche doch einen großen Musiksaal, sagte Gemeindemitglied Gerd-Rüdiger Panzer, den könne die leere Stiftskirche bieten. Dagegen sprach, dass die Bestuhlung alles andere verhindere: Schließlich sind die Kirchenbänke aktuell ja wieder fest eingebaut.

Dem Vorschlag, alle Türen der Kirche zu öffnen, widersprach der frühere Mesner Georg Stöhr jedoch deutlich: »Wir können nicht eine öffnen. Dann fliegen Tauben rein!« Ein Pärchen brüte bereits in der Eingangshalle, hinter den Epitaphien. Diesbezüglich, so Andrea Bachmann später, habe die Gemeinde einmal bereits konsequent durchgegriffen: »Wir haben die Eier der Evolution entzogen.« (GEA)