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Wie Mössinger Baumpatenschaften Natur und Menschen helfen sollen

Bereits für 200 Obstbäume gibt es auf Mössinger Streuobstwiesen Pflege-Patenschaften.

An der Zufahrt zum Schützenhaus steht der Patenbaum für den verstorbenen Tomy Fanore Wenzel. Rechts dahinter der Baum seiner Wit
An der Zufahrt zum Schützenhaus steht der Patenbaum für den verstorbenen Tomy Fanore Wenzel. Rechts dahinter der Baum seiner Witwe – der 200ste Patenbaum des Netzwerks Streuobst. Foto: Jürgen Meyer
An der Zufahrt zum Schützenhaus steht der Patenbaum für den verstorbenen Tomy Fanore Wenzel. Rechts dahinter der Baum seiner Witwe – der 200ste Patenbaum des Netzwerks Streuobst.
Foto: Jürgen Meyer

MÖSSINGEN. Patenschaften boomen. Kinder, Tiere, Wälder. Es gibt fast nichts, für das man sich nicht als Pate nachhaltig einbringen kann. In Mössingen gibt es seit zehn Jahren die Möglichkeit, sich für die landschafts- und kulturprägenden Streuobstwiesen einzusetzen. Genauer gesagt für deren in die Jahre gekommenen Bäume, die auf nicht mehr bewirtschafteten Flächen wachsen. Das Netzwerk Streuobst e.V. übernahm 2015 von der Stadt Mössingen Allmandflächen, die aufgrund ihres schlechten Pflegezustandes nicht mehr verpachtet wurden. Der Großteil liegt an den Nordhängen der Olgahöhe und des Farrenbergs.

Diese Flächen wurden zunächst »saniert«: Die verbuschten Wiesen wurden gemäht und stabilisiert. Wo Lücken waren, wurden neue Bäume nachgepflanzt, um eine nachhaltige Bestandsdurchmischung von Jung-, Ertrags- und Altbäumen zu erhalten. Die vom Verein von der Stadt gepachteten Flächen wurden in die einfach zu bedienende und erschöpfend informierende Internetplattform myBäumle.de aufgenommen.

Um die Kulturlandschaft zu erhalten, ist eine regelmäßige Pflege der Bäume notwendig. Viele Menschen liegt der Erhalt dieser einzigartigen Naturfläche am Herzen. Aber nicht jeder hat die praktische oder zeitliche Möglichkeit, sich um ein Wiesengrundstück zu kümmern.

Jahrespflege für 50 Euro

Wer sich mit 50 Euro pro Baum und Jahr als Pate einbringt, hilft, die fachliche Pflege zu garantieren. Und leistet dabei zweifach Gutes. Denn die Dauerpflege hat die Grüngruppe der Arbeit in Selbsthilfe gGmbH" (Ais) übernommen. Deren Beauftragung unterstützt die Inklusion von Menschen mit Behinderung. Die Mitarbeiter schneiden die Bäume, pflanzen bei Abgang nach, gewährleisten den Stammschutz, das Freihalten der Baumscheibe, das Mähen, aber auch die Ernte und Weiterverarbeitung. In den letzten Jahren wurden viele Geschichten rund um das Projekt geschrieben, so Ulrich Eder vom Netzwerk. "Es gibt Patinnen und Paten in München und Hamburg, in Hessen, in der Schweiz, einer sogar in Australien. Manche schenken eine Patenschaft zur Geburt eines Kindes, andere versorgen die ganze Familie mit Patenbäumen." Es gab sogar zwei Benefizkonzerte zur Finanzierung einer Patenschaft.

Zum Jahresende zeichnete sich die 200. Patenschaft ab. »Dieser macht uns aber das Herz schwer«, so Eder. Denn der Verein bekam eine Nachricht von Thomas Knoll, der in Mössingen aufwuchs, heute in Freiburg lebt und selbst schon seit fünf Jahren Baumpate ist und nun einen weiteren Baum beantragt (den 199. in der Liste). Knoll schrieb: »Der heutige Anlass ist ein trauriger: Die beantragte Patenschaft geht zu Ehren von Tom Fanore Wenzel, am 4. 11. allzu früh verstorben ist.«

Gedenken an Tom Wenzel

Im Steinlachtal kannte man Tom Wenzel, der zuletzt mit seiner Familie in Berlin lebte, unter anderem als Schlagzeuger der 1991 gegründeten Band »Sorrymy Sox« (Album »Cinemio, 1999). Knoll wählte einen Kirschbaum an der Abzweigung zum Schützenhaus aus, weil der auch zu seinen Erinnerungen passte: «Tom hat als Kind am Buchbach gespielt und als junger Bursche viele Partys auf der Olgahöhe gefeiert. Jens Wenzel, Bruder des Verstorbenen und gemeinsam mit Knoll der Stifter, erinnert sich, dass sie »als Kinder immer zu diesen Wiesen gelaufen sind, um Kirschen zu klauen – vielleicht sogar genau von diesem Baum mit der Nummer 199«. Der übrigens in etwa das gleiche Geburtsjahr – 1968 – wie Wenzel hat.

Wenige Tage nach der Trauerfeier, bei der die Patenurkunde der Familie übergeben wurde, meldete sich Knoll erneut: »Die Witwe stammt Erinbell Fanore war so berührt von der Idee, dass sie unbedingt die Patenschaft für den benachbarten Kirschbaum übernehmen wollte.« Das war dann die Baum-Nummer 200.

Die beiden nun zu Denkmälern gewordenen Kirschbäume stehen nahe beieinander und sind auch im ähnlichen Alter und Zustand: Weil sie jahrelang nicht gepflegt wurden, sind sie so stark geschädigt, dass sie auf absehbare Zeit absterben werden. Daher ist geplant, in den nächsten Jahren in ihrer Nähe jeweils neue Kirschbäume zu pflanzen, die dann die alten ersetzen – und die Erinnerung wachhalten werden. (GEA)