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Wie Ilse Walker das Leben von Behinderten in Kusterdingen erleichtert

Ilse Walker setzt sich als Behindertenbeauftragte in Kusterdingen ein. Sie macht auf verschiedenste Barrieren aufmerksam.

Ilse Walker ist Ansprechpartnerin für Inklusionsthemen.
Ilse Walker ist Ansprechpartnerin für Inklusionsthemen. Foto: Nadine Nowara
Ilse Walker ist Ansprechpartnerin für Inklusionsthemen.
Foto: Nadine Nowara

KUSTERDINGEN. Wo gibt es in Kusterdingen Barrieren? Ilse Walker hat mehr als 42 Jahre lang bei der Gemeinde Kusterdingen in der Finanzverwaltung gearbeitet. Die 63-Jährige ist in Kusterdingen geboren und hat miterlebt, welche Barrieren beseitigt wurden und welche es immer noch gibt. Seit dem Sommer ist sie ehrenamtliche Behindertenbeauftragte der Gemeinde. Davor hatte Kusterdingens Bürgermeister Jürgen Soltau diesen Themenbereich übernommen. »Ich möchte, dass mehr auf Barrierefreiheit geachtet wird«, sagt sie. Doch nicht nur im wörtlichen Sinne, sondern auch in Bezug auf Chancengerechtigkeit und Teilhabe.

»Es ist möglich, dass man auch mit einer Behinderung einen ganz normalen Arbeitsplatz hat«, sagt sie. Walker, die eine Gehbehinderung hat, machte ihren Hauptschulabschluss bei der KBF in Mössingen. »Heutzutage ist es schwieriger, weil man für vieles eine Ausbildung braucht.« Spezielle Ausbildungen für Menschen mit Behinderung würden auch nicht immer als gleichwertig angesehen.

Menschen ohne Handicap profitieren ebenfalls

Ihr Berufsberater an der KBF hatte ihr vorgeschlagen, in einer Behinderten-Werkstatt zu arbeiten. Doch Walker lehnte entschieden ab. Ihre Antwort: »Dann mach ich lieber nichts.« Doch soweit musste es nicht kommen. Ihr Sportlehrer, der in Kusterdingen Gemeinderat war, setzte sich für sie ein. Nach einer Ausbildung an einer Kaufmännischen Schule konnte sie in Kusterdingen direkt in die Finanzverwaltung einsteigen. Unter anderem war sie für die Kita-Beiträge zuständig. Auch für die »Nicht-Behinderten« sei es wichtig, mit Menschen mit Handicap zu arbeiten. »Meine Kollegen haben durch mich gesehen, wo es Schwierigkeiten gibt. Die Rathausmitarbeiter waren alle immer sehr nett und hilfsbereit«, hebt sie hervor. Da Walker jahrzehntelang im Rathaus gearbeitet hat, weiß sie, wen sie bei welchen Themen ansprechen kann. Auch mit Bürgermeister Soltau sei sie im direkten Kontakt.

»Vieles ist in den Jahren aber auch sehr viel besser geworden. Die Ortsmitte ist barrierefrei. Geschäfte, Ärzte und Apotheke sind gut zu erreichen«, sagt Walker. An anderen Stellen gibt es noch Nachholbedarf. Beim Projekt Inklusive Gemeinde auf den Härten ging es vor einigen Jahren mit Bürgermeister Soltau durch den Ort. Es wurde inspiziert, an welchen Stellen etwas getan werden müsste. »Einige Bordsteine sollten abgesenkt werden«, sagt sie. Die Teilnehmer durften am eigenen Leib erfahren, auf welche Hindernisse im Alltag Gehbehinderte stoßen. Alle waren bei der Runde im Rollstuhl oder mit dem Rollator unterwegs. Mittlerweile gibt es im Rathaus eine barrierefreie Toilette und die Eingangstür öffnet sich automatisch. Das nächste größere Projekt wird ein Aufzug für die Bibliothek im Alten Schulhaus sein. Einen Wunsch hätte Walker noch: eine öffentliche barrierefreie Toilette. Denn die einzige in der Ortsmitte ist die im Rathaus. Und diese ist an den Abenden und Wochenenden geschlossen.

Barrierefreiheit ist nicht immer leicht umzusetzen

Alle Bushaltestellen, bei denen es möglich ist, werden derzeit in Kusterdingen umgebaut. Doch auch hier gebe es Schwierigkeiten. »Die älteren Busse halten nicht genau am Bordstein. Für oftmals einen großen Schritt dazwischen brauche ich Hilfe. Praktisch zwei Leute: Jemand, der den Rollator trägt und jemand, der mir rüberhilft«, sagt Walker. »Das alles kostet Zeit.« Eine automatische Rampe wäre da sinnvoller, meint sie. »Sehr wichtig für die Gemeinde ist das Bürgerauto gerade auch für ältere Menschen.«

Walker engagiert sich in verschiedenen Vereinen und Verbänden. Unter anderem ist sie im Sozialforum Tübingen, in Kusterdingen etwa im Förderverein des Bürger -und Kulturhauses beim Klosterhof und in der Agendagruppe »Härten Inklusiv« aktiv. Diese Gruppe besteht seit 2017 und hat etwa 15 Mitglieder und bietet verschiedene Aktivitäten an, wie einen kostenlosen Entspannungskurs, der alle zwei Wochen stattfindet. Kooperationspartner ist die evangelische Verbundskirchengemeinde Härten Nord. Neben Workshops etwa zum Basteln von Weihnachtskarten war die Gruppe bei Ritter Sport in Waldenbuch und hat gemeinsam Schokolade hergestellt. »Wir sind Menschen mit und auch ohne Behinderung. Es ist wichtig, dass sich das mischt. Auch aus ganz praktischen Gründen: Wir brauchen für Ausflüge ja auch Autofahrer«, sagt Walker. »Wir sind offen für alle.« Gerne könnten sich auch jüngere Menschen mit Ideen einbringen. (GEA)

behindertenbeauftragte@kusterdingen.com