WEILHEIM. Zwei Prozent der Fläche der Region Neckar-Alb müssen für Solar- und Windenergie nutzbar sein. Dies schreibt das Klimaschutzgesetz des Landes Baden-Württemberg vor. Unter mehreren Gebieten, die der Regionalverband Neckar-Alb aktuell auf ihre Eignung abklopft, befindet sich auch der südlich von Tübingen gelegene Rammert. Auf dem Höhenzug zwischen Neckar- und Steinlachtal könnten bis zu 15 Windkraftanlagen Platz finden.
Sieben davon könnten künftig auf Tübinger Gemarkung stehen, die übrigen auf der Gemarkung von Dußlingen. Pro Anlage könne ein Ertrag von 12 Millionen Kilowattstunden im Jahr erzielt werden. Bei acht Anlagen würde rund ein Viertel des Stroms erzeugt, der aktuell jährlich in der Stadt benötigt wird, erklärte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer in der öffentlichen Veranstaltung am Mittwoch in der Weilheimer Rammerthalle.
Der Tübinger Gemeinderat stimmte 2021 für einen Windpark
Der Tübinger Gemeinderat gab im Frühjahr 2021 grünes Licht für Windkraft auf Tübinger Markung. Die Entscheidung, ob der Windpark gebaut werde, liege beim Regionalverband. Dieser legte fest, wo ein Windpark entstehen könnte: In einem Gebiet, das südlich von Kreßbach, Weilheim und Bühl einen Bogen um den Eck-Hof schlägt. Einen Zipfel im Norden, der in Richtung Derendingen ragt, habe die Stadt als Standort bereits abgelehnt, sagte Palmer.

Sollte es zur Bau-Entscheidung kommen, wolle die Stadt davon profitieren, indem man sich die Grundstücke sichere, auf denen die Windräder errichtet werden könnten. Mit den insgesamt vier Eignern, darunter der Staatsforst, denen man Grundstücke abkaufen möchte, wo Windräder gebaut werden könnten, habe man bereits Vorverträge abgeschlossen. Die Entscheidung über den Kauf der Grundstücke, wofür sechsstellige Beträge nötig seien, treffe der Gemeinderat.
Verpachtung der Grundstücke bringt hohe fünfstellige Beträge
Ein weiterer Vertrag, mit den Stadtwerken als vorgesehener Pächter der Grundstücke und Betreiber des Windparks, liege in der Schublade, sagte der Tübinger Oberbürgermeister. Er betonte, durch die Verpachtung der Grundstücke seien »hohe fünfstellige Beträge als Einnahmen drin.« Palmer schlug vor, auch durch Abgaben entstehende Erträge, in Klimaschutz und -anpassung vor Ort, in den angrenzenden Teilorten Bühl, Kilchberg, Weilheim, Derendingen und Kreßbach zu reinvestieren, um diesen so etwas zurückzugeben.
Stadtwerke-Geschäftsführer Ortwin Wiebecke sagte, es dauere rund ein bis anderthalb Jahre, dann habe sich der Windpark bereits amortisiert. Julian Klett ergänzte, die für den Windpark-Bau nötigen Wege seien zum großen Teil bereits vorhanden. Für ein Windrad würden rund 9.000 Quadratmeter Fläche benötigt, es gebe demnach einen halben Hektar Rodungsbedarf. Der für die Windräder gerodete Wald werde woanders wieder aufgeforstet.
Wird der Rammert nicht mehr wiederzuerkennen sein?
Die anschließende Diskussion war lebhaft, blieb aber stets in einem sachlichen Tonfall. Alfred Biesinger, erster der Windpark-Kritiker am Saal-Mikrofon, forderte, das Verfahren zu stoppen. Im Rahmen der Eingemeindungen vor über 50 Jahren sei den Teilorten unter anderem zugestanden worden, dass der Forst nicht angerührt werde, um dort Industrieanlagen anzusiedeln.
Einige befürchteten, der Rammert werde nach dem Bau eines Windparks nicht mehr wiederzuerkennen sein, viele wertvolle Bäume müssten geopfert werden. Palmer forderte den ehemaligen Förster und aktiven SPD-Gemeinderat Gerhard Neth auf, eine Einschätzung abzugeben. Dieser sagte, der Rammert sei von jeher ein bewirtschaftetes Gebiet gewesen. Weite Bereiche seien und blieben geschützt.
Neth sieht Bau eines Windparks als Notwendigkeit
Jährlich würden dort rund fünf Kubikmeter Holz geerntet, die Stadt Tübingen bleibe meistens bei einer Ernte von zehn bis 15 Prozent unter dem jährlichen Zuwachs. Es tue ihm als Förster zwar weh, dass fünf bis zehn Hektar für den Bau von Windkraftanlagen geopfert werden müssten. Andererseits seien Waldbrände viel schlimmer. Neth sprach sich für einen Windpark aus: »Ich sehe es auf Dauer als Notwendigkeit, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.«
Wie im Publikum in der Halle blieben die Meinungen auch bei den Mitgliedern der Gremien geteilt. Im Anschluss an die Diskussion in der Rammerthalle berieten die Ortschaftsräte von Bühl. Kilchberg und Weilheim, sowie der Ortsbeirat von Derendingen. In Weilheim, ein Ortschaftsrat fehlte, ging die geheime Abstimmung unentschieden aus – fünf zu fünf. (GEA)