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Wie die Nightline Tübingen hilft, wenn die Angst kommt

Bei der Nightline Tübingen haben 20 studentische ehrenamtliche Zuhörer ein offenes Ohr für die Probleme des Unilebens.

Viele müssen sich erst überwinden, um bei einer Seelsorge-Hotline anzurufen.
Viele müssen sich erst überwinden, um bei einer Seelsorge-Hotline anzurufen. Foto: Markus Scholz / dpa
Viele müssen sich erst überwinden, um bei einer Seelsorge-Hotline anzurufen.
Foto: Markus Scholz / dpa

TÜBINGEN. Gerade in den späten Abend- und Nachtstunden liegen die Nerven oft blank. Kein Wunder, dass man sich einsam fühlt, gerade dann, wenn man zum Studieren in eine fremde Stadt gezogen ist. Liebeskummer, Versagensängste, Stress in der WG, Geldsorgen, Prüfungsdruck, die Frage, ob der Studiengang überhaupt der richtige für einen ist … Das alles kann sehr belastend sein. Um in solchen Situationen Abhilfe zu schaffen, haben 2011 Tübinger Studierende ein Zuhörtelefon ins Leben gerufen. Die Nightline Tübingen möchte ein offenes Ohr, Entlastung und Hilfe anbieten. Die Idee der studentischen Zuhörertelefone stammt aus Großbritannien und ist auch in Amerika weit verbreitet. In Deutschland gibt es sie unter anderem in Heidelberg, Freiburg und Münster.

Während der Vorlesungszeit ist ein Team von Montag bis Donnerstag sowie samstags von 21 – 24 Uhr offen für Gespräche. Beide Seiten bleiben dabei anonym. Was gesprochen wird bleibt selbstverständlich vertraulich. Die Nightliner wollen weder fertige Lösungen liefern, noch wollen sie als professionelle Beratungsstelle fungieren. Alle Mitarbeiter werden regelmäßig geschult. Sie sind bei ihren Diensten immer zu zweit. »Es ist besser für die psychische Hygiene, wenn man sich austauschen kann«, sagt Julia Schnurr. Bei eigenen wunden Punkten könne auch der Teamkollege das Gespräch übernehmen. Die Promotionsstudentin ist von Anfang an mit dabei. Mittlerweile ist sie nur noch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Julia Schnurr und ihr Team sind da, wenn die Sorgen anklopfen.
Julia Schnurr und ihr Team sind da, wenn die Sorgen anklopfen. Foto: Nadine Nowara
Julia Schnurr und ihr Team sind da, wenn die Sorgen anklopfen.
Foto: Nadine Nowara

»Vielen hilft es einfach mal über ihre Probleme zu sprechen«, sagt Schnurr. »Vielen ist es unangenehm das mit anderen zu tun. Wir hören zu, egal was ist und urteilen nicht. Kein Problem ist zu klein.« Telefoniert und gechattet wird von einem Raum in Tübingen aus, der nicht genannt werden soll. »Im Durchschnitt sind es zwei bis drei Anrufer pro Abend und ein «Halber» im Chat. Die Anrufdauer kann von 20 Minuten bis anderthalb Stunden dauern«, sagt die Kusterdingerin.

»Wichtig ist, zunächst eine angenehme Atmosphäre aufzubauen, damit die Anrufer ins Reden kommen. Wir hören 'aktiv' zu und zeigen Verständnis.« Augenhöhe und Empathie sind also gefragt. »Die eigenen Gefühle wahrzunehmen fällt vielen schwer. Auch stecken viele in ihren Gedanken fest und müssen sie erstmal sortieren.« Wenn sie diese erkennen und aussprechen können, was sie bedrückt fühlen sie sich erleichtert. »Mehr Klarheit finden für die eigene Situation. Das ist der erste Schritt und nicht, dass man nach dem Gespräch gleich eine Lösung findet.«

Raum für Gefühle

Manch ein Anrufer bricht auch in Tränen aus. Am anderen Apparat wartet man ab und »gibt den Raum dafür. Denn dann löst sich ein Knoten.« »Erstaunlich oft bedanken sich Anrufer bei uns«, sagt Schnurr. Ein großes Thema ist Einsamkeit. »Die meisten rufen am Samstagabend an. Vor Weihnachten ist auch viel los.«

Aber auch die Ehrenamtlichen profitieren von den Telefongesprächen. »Ich habe gelernt achtsamer dabei zu sein, nicht in Mustern zu denken und mehr zu hinterfragen«, sagt Schnurr. Die »Nightline Tübingen« ist 2024 mit dem »Sonderpreis für herausragendes studentisches Engagement« der Universität Tübingen ausgezeichnet worden. (GEA)