Logo
Aktuell Archäologie

Wer hat die Hochadelsburg im Rammert erbaut?

Eine dreiwöchige Grabung auf einer vergessenen Hochadelsburg im Rammert bei Bad Niedernau soll den Archäologen der Universität Tübingen Klarheit über die Bauherren bringen.

Freigelegte Ecke des zweiten Turms. Oben Dr. Michael Kienzle (mit Hut) und Ausgrabungsleiter Julius Dietze.
Freigelegte Ecke des zweiten Turms. Oben Dr. Michael Kienzle (mit Hut) und Ausgrabungsleiter Julius Dietze. Foto: Jürgen Meyer
Freigelegte Ecke des zweiten Turms. Oben Dr. Michael Kienzle (mit Hut) und Ausgrabungsleiter Julius Dietze.
Foto: Jürgen Meyer

ROTTENBURG-BAD NIEDERNAU. Das Rätsel ist noch nicht geknackt: Auf dem Schlösslesberg sind wieder die Archäologen zugange. Sie graben etwa einen Kilometer Fußmarsch westlich vom Rottenburger Teilort Weiler entfernt in einer vergessenen und völlig verfallenen Burganlage im bewaldeten Rammert. Das allein wäre schon spannend genug. Doch das Außergewöhnliche an der großen, namenlosen Anlage, die auf einem langgezogenen Bergrücken auf 450 Höhenmetern, rund 90 Meter oberhalb der Sohle des Katzenbachtals liegt, ist ihr Alter (der GEA berichtete).

Sie gilt als wohl älteste Mittelalter-Burg im Kreis Tübingen und als eine der ersten Höhenburgen überhaupt. Denn errichtet wurde sie sicher im 10., vermutlich sogar bereits im 9. Jahrhundert.

Älteste Burg im Kreisgebiet

Damit ist sie deutlich älter als die auf repräsentativen Berghöhen gebauten Höhenburgen der Grafen von Achalm (um 1050), der Zähringer (Limburg bei Weilheim, um 1050), der Zollern (1061) oder der Pfalzgrafen von (Hohen-)Tübingen (1078). Vom gut erforschen Runden Berg bei Bad Urach einmal abgesehen. Der ist zwischen dem 4. und 11. Jahrhundert mit Unterbrechungen als Höhensiedlung genutzt worden.

Es muss eine der mächtigsten Familien im Land gewesen sein, die in der Lage war, am Ende des vorletzten Jahrtausends eine repräsentative Burg zu errichten. Das konnte sich nur der Hochadel aus dem Dunstkreis des Königs und Kaisers erlauben und leisten.

Dr. Michael Kienzle (Uni Tübingen) und Dr. Dorothee Brenner (Landesdenkmalamt) mit einer Lidaraufnahme des Schlösslesberg.
Dr. Michael Kienzle (Uni Tübingen) und Dr. Dorothee Brenner (Landesdenkmalamt) mit einer Lidaraufnahme des Schlösslesberg. Foto: Jürgen Meyer
Dr. Michael Kienzle (Uni Tübingen) und Dr. Dorothee Brenner (Landesdenkmalamt) mit einer Lidaraufnahme des Schlösslesberg.
Foto: Jürgen Meyer

Seit Anfang des Monats findet eine dreiwöchige Lehrgrabung der Archäologie des Mittelalters der Uni Tübingen in Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalpflege sowie dem Sülchgauer Altertumsverein Rottenburg statt. Ihr Ziel: Hinter das Geheimnis der bedeutsamen Anlage zu kommen, die sich auf einer Länge von 220 Metern und einer Breite zwischen 20 und 25 Metern erstreckte. Schriftliche Hinweise gibt es keine, weder auf die Burg noch auf deren Erbauer und Bewohner. Immerhin liegen über 800 Scherben vor. Die Hälfte datiert in die Vorzeit. »Von der Jungsteinzeit bis zu den Kelten der La-Tène-Zeit ist alles dabei, außer den Römern«, so die Archäologin Dr. Dorothee Ade vom Sülchgauer Altertumsverein, Mitinitiatorin der Grabung.

Im 11. Jahrhundert verlassen

Die spätmittelalterlichen Fundstücke ermöglichen es, den Zeitraum einzugrenzen, in dem die Burg bewohnt war. Denn die Keramik durchlief mehrere herstellungstechnische Veränderungen und Trends. Demnach war die Burg im ausgehenden 11. Jahrhundert nach rund 100 Jahren wieder verlassen.

Ob das durch Aufgabe oder durch eine Zerstörung der Fall war, bleibt noch unklar. Dieser Wechsel könnte mit den als Investiturstreit in die Geschichte eingegangenen kriegerischen Auseinandersetzungen der Jahre 1077/78 zusammenhängen (»Bußgangs nach Canossa«).

An der Stelle, wo der »Sieben-Täler-Rundweg« nach rund 100 Metern, vorbei an zahlreichen Steinmaterialentnahme-Gruben, durch einen verschliffenen Wallgraben führt, ist jetzt gegraben worden – soweit es der Baumbewuchs zulässt.

In eine vorkeltische Anlage gebaut

Hier vermutet Dr. Michael Kienzle von der Uni Tübingen einen (Tor-)Zugang in eine vorgeschichtliche Befestigungsanlage, vermutlich aus der späten Bronzezeit (1.200 bis 800 v. Chr.), »die vielleicht auch von den Burgbauern in ihre Anlage einbezogen wurde.« Im Versturz des zwanzig Meter langen und rund acht Meter breiten Wallgrabens finden sich Spuren starker Hitzeentwicklung; hier ist wahrscheinlich ein Palisadenzaun niedergebrannt.

Schnitt durch die äußere Wallanlage, die wohl 2000 Jahre älter als die Burg ist. Oben die Archäologen Dr. Dorothee Ade und Dr. M
Schnitt durch die äußere Wallanlage, die wohl 2000 Jahre älter als die Burg ist. Oben die Archäologen Dr. Dorothee Ade und Dr. Michael Kienzle. Foto: Jürgen Meyer
Schnitt durch die äußere Wallanlage, die wohl 2000 Jahre älter als die Burg ist. Oben die Archäologen Dr. Dorothee Ade und Dr. Michael Kienzle.
Foto: Jürgen Meyer

Haben die Burgbauer des Mittelalters bei der Wahl des heute völlig im Abseits liegenden Platzes der Einfachheit halber eine vorkeltische Höhenfestung »recycelt«? Oder verlief im oder durch das Tal des Katzenbachs während den Herrschaftszeiten der ottonischen Könige ein wichtiger Verkehrsweg (Salzhandelsstraße), den es zu überwachen galt?

Einen zweiten Grabungsschnitt setzten die Archäologen an der südlichen Spornkante. Zwar fanden sie nicht – wie im Sommer letzten Jahres an der Nordseite – ein noch rund 1,6 Meter tief in den gewachsenen Boden geschichtetes Mauerfundament, sondern lediglich eine künstliche Steinaufschüttung mit Tonresten vor. Ein Indiz, dass die 220 Meter lange Burganlage auf beiden Seiten eine Umfassungsmauer hatte.

Im Boden konservierter Teil einer wohl 400 Meter langen Umfassungsmauer, die seit über 2.000 Jahren im Erdboden steckt.
Im Boden konservierter Teil einer wohl 400 Meter langen Umfassungsmauer, die seit über 2.000 Jahren im Erdboden steckt. Foto: Jürgen Meyer
Im Boden konservierter Teil einer wohl 400 Meter langen Umfassungsmauer, die seit über 2.000 Jahren im Erdboden steckt.
Foto: Jürgen Meyer

Rätsel um die Hochadelsfamilie

Der dritte Schnitt bestätigt die Vermutung, dass es sich bei einem zweiten hohen Schutthügel ebenfalls um den Unterbau eines vormaligen repräsentativen Wohnturms handelt – mit umlaufender künstlicher Terrassierung und mit beachtlichen Ausmaßen: »Das sehr gut im Boden erhaltene leicht rechteckige Mauerfundament hat eine Stärke von über zwei Metern«, so Ausgrabungsleiter Julius Dietze. »Der Innenraum maß 6,5 Meter, sodass der Turm wohl über 10 Meter breit war und mehrere Stockwerke getragen haben könnte.« Die Konservierung im Boden zeigt, wie man vor über tausend Jahren gebaut hat: Die Mauer besteht aus Lagen von Muschelkalksteinen: einer äußeren, sauber gesetzten und einer inneren, eher praktikablen Verschalung. Dazwischen eine Steinaufschüttung. Bereits im Sommer 2023 war einen Steinwurf entfernt das Fundament eines mit 13 Meter etwas breiteren Turmes entdeckt worden. Da er zur Zugangsseite der Burg stand, dürfte die dicke Mauer wehrtechnische Gründe gehabt haben.

Die Ausgrabungen sollen fortgesetzt werden. Noch fehlen wichtige Puzzleteile, um zu klären, welche bedeutende Grafenfamilie des Herzogtums Schwaben im Rammert auf einer der ersten Höhenburgen der Region residierte. (GEA)