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Wegen Tierversuchen mit Krähen: Uni Tübingen steht in der Kritik

Das Vogelschutzzentrum Mössingen entschuldigt sich dafür, die Vögel an ein Labor der Uni Tübingen abgegeben zu haben.

Versuche mit Krähen
Das Foto zeigt eine Krähe mit Implantaten am Kopf. Das Tier ist an einer Stange fixiert und blickt in einen Monitor. Die Uni Tübingen forscht über die Lernvorgänge im Gehirn der Vögel. Foto: SOKO-Tierschutz
Das Foto zeigt eine Krähe mit Implantaten am Kopf. Das Tier ist an einer Stange fixiert und blickt in einen Monitor. Die Uni Tübingen forscht über die Lernvorgänge im Gehirn der Vögel.
Foto: SOKO-Tierschutz

TÜBINGEN/MÖSSINGEN. Die Universität Tübingen steht in der Kritik, weil sie Krähen aus dem Vogelschutzzentrum Mössingen bei Tierversuchen zur Hirnforschung eingesetzt hat. Vor allem Tierschützer sind empört, dass die Vögel aus dem Schutzzentrum offenbar für Versuche eingesetzt wurden, bei denen sie auch Elektroden in ihre Köpfe implantiert bekamen. Der Neurobiologe Professor Andreas Nieder forschte dabei über die Arbeitsweise von Nervenzellen im Gehirn und ging der Frage nach, was bei Lernvorgängen im Kopf der Krähen geschieht. Laut Uni Tübingen wurde seine Forschungsarbeit zu Krähenvögeln 2020 als einer der »Forschungsdurchbrüche des Jahres« ausgezeichnet.

Gleichzeitig hat sich der Naturschutzbund NABU, der das Vogelschutzzentrum Mössingen betreibt, dafür entschuldigt, dass in den Jahren 2011 bis 2014 sieben lebende Krähen an das Institut von Professor Nieder abgegeben wurden. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es unter anderem wörtlich: »Das NABU-Vogelschutzzentrum gab diese Vögel in der Annahme ab, dass diese Tiere ausschließlich für die Zucht und/oder für non-invasive Verhaltensbeobachtungen verwendet werden.« Non-invasiv soll heißen, dass eben keine Eingriffe in die Körper der Tiere vorgenommen werden.

NABU: Keine Vögel mehr an die Uni Tübingen

Weiter bedauert der NABU, »damals nicht genauer hinterfragt zu haben, was mit den Tieren konkret passieren wird.« Das sei naiv gewesen. Die Naturschützer versichern, für die Krähen kein Geld bekommen zu haben und seit 2015 keine Vögel mehr an die Uni Tübingen abgegeben zu haben.

Das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« berichtet dagegen davon, dass auch noch nach 2015 die Krähen aus dem Mössingen Vogelschutzzentrum bei der Arbeit von Professor Nieber eine wichtige Rolle gespielt hätten. Noch im Juni 2020 habe Nieber dem Regierungspräsidium Tübingen mitgeteilt, dass er die Tiere für »Finalversuche« einsetze. Unter Narkose würden stundenlange Experimente an den Gehirnen der Vögel gemacht. Nach mehreren Versuchsreihen würden die Krähen eingeschläfert.

Die Organisation SOKO-Tierschutz hatte die ganze Sache öffentlich gemacht. In einer nächtlichen Aktion waren Aktivisten offenbar zu den Käfigen der Versuchskrähen in Tübingen gelangt. Die Kritik der Aktivisten an der Uni Tübingen ist deutlich: »Es gibt zahllose, ausgezeichnete, nicht-invasive Verhaltensstudien an diesen hochintelligenten Vögeln, welche die Intelligenz dieser Tiere eindrucksvoll belegen, ohne den Tieren dazu die Schädel aufzubohren. Damit stellt sich auch die Frage nach der Alternativlosigkeit der Experimente Nieders, denn ein Tierexperiment darf dem Gesetz nach nur genehmigt werden, wenn es keine Alternativen gibt«, so Friedrich Mülln von der SOKO Tierschutz. Dem GEA sagte Mülln, für die Versuche von Professor Nieder hätte das zuständige Regierungspräsidium Tübingen keine Genehmigung erteilen dürfen.

Uni Tübingen: Hatten alle Genehmigungen 

In einer schriftlichen Stellungnahme verweist die Uni Tübingen darauf, dass die entsprechenden behördlichen Genehmigungen vorgelegen hätten. Dort heißt es: »Sämtliche Tierversuche zu Krähenvögeln wurden den genehmigenden Behörden vorab im Detail vorgelegt und jeweils auf Grundlage des deutschen Tierschutzgesetzes bewilligt. Auch der Kontakt zum Vogelschutzzentrum wurde dabei angegeben.«

Ungeklärt bleibt weiterhin, was es mit drei Krähen auf sich hat, die sich laut SOKO-Tierschutz in der Versuchstierhaltung der Uni Tübingen befinden. Diese Vögel mit den Namen Yoko, Harrison und Ringo Star seien seit etwa einem Jahr dort und es sei ungeklärt, woher sie stammten. Die Uni Tübingen antwortete dem GEA auf Anfrage: »Die genannten Tiere sind Bestandteil der Krähenzucht der Universität Tübingen. Ihre Herkunft ist bekannt, die Übernahme solcher Tiere in unsere Haltung ist ordnungsgemäß erfolgt.« Die Tierschutzaktivisten fordern dennoch, »... dass diese Tiere umgehend echten Tierschützern übergeben werden und das Leid der Versuche sofort endet.«  (GEA)