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Warum Talheim bald keinen Pfarrer mehr haben wird

Der Öschinger Theologe Clemens Hägele informierte im Mössinger Ortsteil Talheim über den Plan und seine Folgen.

Schon wegen ihrer Lage eine der markantesten Kirchen im Landkreis Tübingen: die Talheimer Bergkirche. Einen eigenen Pfarrer wird
Schon wegen ihrer Lage eine der markantesten Kirchen im Landkreis Tübingen: die Talheimer Bergkirche. Einen eigenen Pfarrer wird die Kirchengemeinde in ein paar Jahren aber nicht mehr haben. Foto: Philipp Förder
Schon wegen ihrer Lage eine der markantesten Kirchen im Landkreis Tübingen: die Talheimer Bergkirche. Einen eigenen Pfarrer wird die Kirchengemeinde in ein paar Jahren aber nicht mehr haben.
Foto: Philipp Förder

MÖSSINGEN-TALHEIM. Der Vorgang war eher ungewöhnlich: Dr. Clemens Hägele, seit Dezember Pfarrer in Öschingen, stellt sich im Talheimer Ortschaftsrat vor. Allerdings war die Visite kein reiner Höflichkeitsbesuch. Weil Talheim bald keinen eigenen Pfarrer mehr haben wird, müssen sich die beiden Kirchengemeinden zusammenfinden. Wie und in welcher Form, das ist noch völlig offen.

»Wie geht es weiter in Talheim?« Diese Frage hatte Ortsvorsteher Elmar Scherer ganz offensiv in die Tagesordnung eingefügt. »Ich habe im aktuellen Gemeindebrief schon etwas dazu gelesen, aber nicht alles verstanden«, räumte er ein, verbunden mit der Hoffnung, dass der Gast aus Öschingen da für Klarheit sorgen könne. Wobei Hägele zunächst etwas bremste: »Ich kann nichts sagen über Sachen, die ich selbst noch nicht weiß oder welche die Kirchengemeinderäte noch nicht wissen.«

Kirchengemeinde zu klein geworden

Zuletzt war Clemens Hägele zwölf Jahre im Studienhaus in Tübingen, davon die letzten Jahre als Rektor, bevor ihn die Landeskirche zurück in den Pfarrdienst beorderte. Weil er seit 14 Jahren in Mössingen wohnt, bewarb er sich auf die Stelle in Öschingen, wo er Mitte Dezember antrat. Zu diesem Zeitpunkt war schon klar: Ein Teil seiner Arbeit wird in Talheim liegen.

Weil die Kirchengemeinde hier mittlerweile zu klein ist, wurde die Stelle von Matthias Wagner im Pfarrplan 2024 auf 50 Prozent reduziert. Die andere Hälfte wird im Kirchenbezirk eingesetzt. Eine mit drei Öschingern und drei Talheimern besetzte Steuerungsgruppe hat nun festgelegt, dass Clemens Hägele einen kleinen Seelsorgebezirk in Talheim übernehmen und dort einmal im Monat auch Gottesdienst halten wird.

Zudem muss der Öschinger auch die Geschäftsführung der Talheimer Kirchengemeinde übernehmen. Nach der mathematischen Logik der Landeskirche darf ein Pfarrer auf einer 50-Prozent-Stelle diese Funktion nicht mehr ausüben, während ein Pfarrer auf einer 100-Prozent-Stelle dafür zwei Gemeinden verwalten darf. Dies hat unter anderem zur Folge, dass manche Aufgaben an den Talheimer Kirchengemeinderat delegiert werden.

Kirchenplan 2030 entscheidend

Viel gravierender wirkt sich aber der Pfarrplan 2030 aus, der für Talheim und Öschingen schon 2028 in Kraft tritt. Dann nämlich geht Matthias Wagner in den Ruhestand – und einen Nachfolger gibt es nicht mehr. Von da an ist der Öschinger Pfarrer für zwei Gemeinden zuständig. »Wie die Kirchengemeinden damit um-gehen, müssen sie noch entscheiden«, erklärte Hägele. »Sie können selbstständig bleiben oder sie können fusionieren – dazwischen ist alles möglich.«

Bald in Doppelfunktion: Dr. Clemens Hägele.
Bald in Doppelfunktion: Dr. Clemens Hägele. Foto: Philipp Förder
Bald in Doppelfunktion: Dr. Clemens Hägele.
Foto: Philipp Förder

Klar ist, dass die Kirchengemeinden mit praktischen Problemen konfrontiert werden. »Wie ist das mit dem gemeinsamen Konfi-Unterricht? Wie kommen die Kinder in die andere Gemeinde?«, beschrieb Hägele ein Beispiel. Und für ein gemeinsames Gemeindeleben brauche es auch Begegnungsflächen. »Woher kommt diese Situation, wenn ich sehe, wie viel Kirchensteuer ich zahle?«, wollte Falko Steinhilber wissen. Laut Hägele ist es einmal die enorm hohe Zahl von Kirchenaustritten, aber nicht nur. »Auch geht die Zahl der Pfarramtsanwärter dramatisch zurück. Das kennen unsere katholischen Geschwister schon längst.« Und dann müsse die Kirche einen großen Betrag aufwenden für die Pensionen von Pfarrern im Ruhestand: »Das funktioniert ähnlich wie bei den Beamten.«

Das Wort Gottes verkünden

Für Clemens Hägele ist klar, dass das ein großer Schnitt wird. »Wir müssen Kirchengemeinde völlig neu denken«, erklärte er. Und: »Ich bin Pfarrer geworden, weil ich das Wort Gottes verkünden will. Ich will nicht in lauter Verwaltungsangelegenheiten untergehen.«

»Ich habe große Angst für Talheim«, bekannte Ortschaftsrätin Annika Müller. »Wie kann das funktionieren? Das ist eine sehr große Aufgabe für Sie. Man wird aber immer sagen, dass Sie der Öschinger Pfarrer sind.« Sie wünschte sich, dass diese Fragen nicht nur in der Steuerungsgruppe oder in den Kirchengemeinderäten be-sprochen werden, sondern die Möglichkeit geschaffen wird, dass alle Gemeindemitglieder beteiligt werden. Frank Grauer verbreitete jedoch ein kleines bisschen Hoffnung: »Er ist zwar der Öschinger Pfarrer, aber er wohnt im neutralen Mössingen.« (GEA)