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Warum ein Tübinger verdächtigt wurde, Hanf anzubauen

Unerlaubter Cannabis-Anbau im Keller? Blaues Licht und eine Lüftung machten einen Aquarienbesitzer aus Bebenhausen verdächtig.

Thomas Musch bei der Pflege des Aquariums in der Kinderklinik Tübingen.  FOTO: PRIVAT
Thomas Musch bei der Pflege des Aquariums in der Kinderklinik Tübingen. Foto: Privat
Thomas Musch bei der Pflege des Aquariums in der Kinderklinik Tübingen.
Foto: Privat

TÜBINGEN/MÖSSINGEN. Wer sich mit Thomas Musch über sein Hobby unterhält, spürt sofort seine große Begeisterung für die Aquaristik. »Es ist immer wieder faszinierend, das Unterwasserleben zu beobachten, das uns sonst verborgen bleibt. Die Farbenvielfalt der Meeresfische und Korallen ist überwältigend und es ist einfach ein besonderer Genuss, tropisches Flair in den eigenen vier Wänden zu haben.« Gleichzeitig strahle ein Aquarium Ruhe und Entspannung aus, so der Vorsitzende der Aquarien- und Terrarienfreunde Mössingen e. V. »Die ruhige und sanfte Bewegung des Wassers und der Fische sowie die Pflegeroutine bauen nach einem hektischen Alltag Stress ab und steigern das Wohlbefinden.«

Dieses wurde jedoch kürzlich empfindlich gestört. Musch, der in dem kleinen Tübinger Teilort Bebenhausen wohnt und dort als Verwaltungsangestellter bei Forst BW arbeitet, war in seinem Aquarienkeller gerade mit seinen Korallen beschäftigt, als es um die Mittagszeit bei ihm klingelte. Vor der Tür standen zwei Frauen und ein Mann. »Sie sahen freundlich aus und ich erwartete von ihnen zunächst, dass sie mich über den Inhalt geistlicher und religiöser Erbauungsliteratur informieren wollten.«

Unerlaubter Cannabisanbau im Keller?

Doch es kam anders. Nachdem sie ihm ihre Dienstausweise von der Kriminalpolizei Reutlingen gezeigt hatten, war sein erster Gedanke: »Hoffentlich ist den Kindern nichts passiert. Wenn die Kriminalpolizei unerwartet vor einem steht, schießt einem allerhand durch den Kopf.«

Dann zeigten ihm die Polizisten einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Tübingen. "Ich wurde darin beschuldigt, unerlaubt eine größere Anzahl von Cannabispflanzen in meinem Keller anzubauen. Der Hinweis war anonym bei der Staatsanwaltschaft Tübingen eingegangen. Als Beweise waren seltsames bläuliches Licht, ein Lüfter und die konspirativ undurchsichtige Scheibe des Kellerfensters angeführt. "Hier musste ich dann lachen", so Musch. Er führte seine Besucher in den Keller, wo sie interessiert seine Aquarien anschauten, Fotos und Notizen machten. "Dabei wirkten sie gut gelaunt. Sie waren offensichtlich erleichtert, dass ihr Besuch vergeblich war."

2003 gründete Thomas Musch in Tübingen die IG Meerwasser.  FOTO: WEBER
2003 gründete Thomas Musch in Tübingen die IG Meerwasser. Foto: Raphaela Weber
2003 gründete Thomas Musch in Tübingen die IG Meerwasser.
Foto: Raphaela Weber

Als dann alle zusammen in der Küche saßen, um das Protokoll zu erstellen, wurde es Musch doch ein wenig mulmig. Er fragte sich: Wie kann mich jemand aufs Geratewohl anzeigen? Wollte mir einer einfach nur Ärger machen? Oder dachte sich wirklich jemand, dass ich im Keller Cannabis anbaue? Und vor allem: Wie geht es jetzt für mich weiter?

Viel positive Resonanz

»Mit den Polizisten habe ich dann besprochen, wie ich reagieren kann«, so Musch. »Ich habe mich dann zur Gegeninitiative entschlossen und einen Erlebnisbericht geschrieben, der im örtlichen Mitteilungsblatt veröffentlicht und auch im Schaukasten am Spielplatz aufgehängt wurde, wo ihn jeder lesen konnte.«

Seine Hoffnung, damit einer »Fleckenrunde« seiner Geschichte zuvorzukommen, hat sich erfüllt. »Ich wurde oft auf den Bericht angesprochen und habe im Ort durchwegs positive Resonanz erfahren. Möglich, dass auch der anonyme Hinweisgeber jetzt erfahren hat, dass bei mir kein Cannabis-Anbau stattfindet«, so Musch. Inzwischen kann er den Vorfall mit Humor nehmen und er hat durchaus Verständnis am Vorgehen der Polizei. »Selbstverständlich musste sie dem Hinweis nachgehen.« Die Freude an seinem Hobby, mit dem er bereits als Jugendlicher begann, ist ihm jedenfalls nicht vergangen. Genießen konnte er auch die anschließende erfolgreiche Ausstellung der Aquarien- und Terrarienfreunde in Mössingen, die im November stattfand. »Es war unsere erste Ausstellung nach Corona und für uns wie ein Neuanfang. Wir hatten wieder sehr viele interessierte Besucher, die schon darauf gewartet haben.«

NEUES HOBBY ENTDECKEN

»Wer Interesse am faszinierenden Hobby der Meer- und Süßwasseraquaristik sowie Terraristik hat, darf mich gerne ansprechen oder auch einen unserer Vereinsabende besuchen. Gäste sind immer herzlich willkommen«, so Vereinsvorsitzender Thomas Musch. Das Jahresprogramm des Vereins ist auf dessen Webseite zu finden. www.aquarien-freunde.de

Begonnen hat Musch mit Süßwasseraquaristik und wechselte später wegen der größeren Vielfalt zu Aquarien mit Meerwasser. 2003 gründete er in Tübingen die IG Meerwasser. »Die Aquaristik ist zwar ein Hobby, das man alleine betreibt. Wichtig ist aber der Austausch mit anderen über ihre Erfahrungen und ihr Know-how. Damals gab’s ja noch kein Internet und wir haben unser Wissen noch aus Fachbüchern gesammelt und dann in der Sparte über Schutz, Pflege oder Nachzucht gesprochen.« Später wurde die IG Meerwasser eine Abteilung der Aquarien- und Terrarienfreunde Mössingen.

Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungsverfahren ein

Musch betreut auch das Aquarium der Arche-Intensivkinder in Mähringen und das große Meerwasseraquarium in der Kinderklinik in Tübingen, in dem Tropenfische in allen Farben und Korallen zu sehen sind. »Ich habe schon öfter mitbekommen, dass es für die Eltern und kleinen Patienten eine schöne Abwechslung und Ablenkung vom Klinikalltag ist und einen hohen Stellenwert für sie hat«, so Musch. »Wenn ich sehe, dass Erwachsene und Kinder ihre Freude daran haben, investiere ich gerne ehrenamtlich meine Zeit und Erfahrung.«

Die Staatsanwaltschaft Tübingen stellte das Ermittlungsverfahren gegen ihn übrigens schnell ein. »Im Keller fand sich lediglich ein größeres Aquarium. Strafrechtlich relevante Gegenstände konnten nicht aufgefunden werden.« (GEA)