ROTTENBURG. Fast ein Vierteljahrhundert lang stand Gebhard Fürst an der Spitze des Bistums Rottenburg-Stuttgart. Das ist eine lange Zeit, in der man vieles falsch machen kann und doch vieles richtig machen sollte. Am 2. Dezember wird die Ära Fürst dann Geschichte sein. Bereits vor einigen Wochen hat der Bischof seinen Rücktritt angeboten, wie es das Kirchenrecht vorschreibt. Mit Eintritt des 75. Lebensjahres scheidet ein katholischer Bischof aus dem Amt aus, es sei denn, der Papst bittet ihn um eine Verlängerung.
Als der ehemalige Akademieleiter im September 2000 im kleinen Dom zu Rottenburg geweiht wurde, mag sich mancher bange gefragt haben: Schafft er das? Dabei wurde er an seinem Vorgänger Walter Kasper gemessen, der zuvor schon als Professor in Tübingen für Aufsehen gesorgt hatte und dem nun eine glänzende Karriere in Rom bevorstand. Die Schuhe waren also groß, aber nicht so groß, wie manche dachten. Denn mit seiner gelegentlich kantigen Art hatte Kasper sich nicht nur Freunde gemacht. Als Nachfolger konnte Fürst hier punkten: Er strahlt Freundlichkeit aus, er kann gut mit Menschen. Diese Eigenschaften können für einen Bischof wichtiger sein als ein Doktortitel.
»Bei allen Säugetieren gibt es zwei Geschlechter. Der Mensch ist ein Säugetier«
Gehört er jetzt dem konservativen oder dem reformerischen Lager an? Diese Frage geht an Gebhard Fürst ziemlich vorbei, er entscheidet fallweise. Am Synodalen Weg – dem Reformprozess deutscher Katholiken seit 2019 – nahm er als Unterstützer teil. Dennoch teilte er die Mehrheitsmeinung der Synodalen Versammlung nicht in jedem Fall. Als es um die »Grundlinien einer erneuerten Sexualmoral« ging, distanzierte er sich. In den Grundlinien sollte dem Gendern auch im kirchlichen Raum der Weg geöffnet und geschlechtliche Vielfalt dargestellt werden. Der Bischof wollte diese Entscheidung nicht mittragen. Zur Begründung zitierte er die Tübinger Biologin Christiane Nüsslein-Vollhard, die gesagt hatte: »Bei allen Säugetieren gibt es zwei Geschlechter. Der Mensch ist ein Säugetier.« Für einige Jahre gehörte der Bischof auch dem Nationalen Ethikrat an, den damals die Regierung unter Kanzler Schröder ins Leben gerufen hatte. In der Stammzell-Debatte arbeitete sich Fürst tief in die Materie ein; das Benutzen von embryonalen Stammzellen lehnte er damals ab – eine Diskussion, die heute rückständig wirkt. In den Nullerjahren dagegen bewegte sie die Gemüter. Fürst vertrat hier die Position eines unbedingten Lebensschutzes und empfahl, die Finger von den Stammzellen zu lassen.
An der Basis kam der Bischof gut an. »Das war der richtige Mann zur richtigen Zeit«, sagt Oliver Pfaff, der als Diakon in Schömberg im Zollernalbkreis für die Kirche arbeitet. Obwohl er als Landdiakon mit dem Bischof wenig zu tun hatte, habe er doch immer dessen Wertschätzung für die eigene Arbeit verspürt.
Wurde diese Haltung allgemein und über Baden-Württemberg hinaus respektiert, so sahen ihn viele im eigenen Bistum auch kritisch. 2017 einigten sich beide Konfessionen in Ravensburg auf eine gemeinsame Erklärung zur Ökumene; Ravensburg lag nahe, da die ehemalige Reichstadt schon immer beide Kirchen beheimatet hatte. In der Ravensburger Erklärung laden sich evangelische und katholische Christen zu Eucharistie und Abendmahl ein. Das ging Gebhard Fürst dann doch zu weit. Er berief sich auf den römischen Standpunkt: Ökumene ja, aber keine Abendmahlgemeinschaft. Der Grund: Katholische und evangelische Theologen meinen Verschiedenes, wenn sie vom Abendmahl sprechen. Der Ravensburger Fall sorgte damals für Unmut bei den Gläubigen. Sie sind es mittlerweile leid, dass die Ökumene nicht mit mehr Leben gefüllt wird. (GEA)
GRUND FÜR DIE BISCHÖFLICHE ABLEHNUNG
Nie gegen Rom gehandelt
Der Grund für die bischöfliche Ablehnung ist in der unbedingten Treue zu Rom zu suchen. Der Bischof von Rottenburg hat nie etwas getan, was gegen die Linie von Papst und Kurie verstoßen würde. Darin ist er sich mit Stephan Burger, seinem Nachbarn im badischen Freiburg, einig. In einem Punkt dagegen ist man im Bistum Rottenburg weiter: Seit einigen Tagen dürfen auch Frauen die Taufe spenden. Bisher hieß es, dass diese Handlung als eines der sieben Sakramente nur geweihten Männern vorbehalten sei. So etwa lautet die Begründung im Erzbistum Freiburg. In Rottenburg schauten die Juristen des Bischofs den Paragrafen des Kirchenrechts noch einmal genau an und fanden heraus, dass auch Frauen taufen dürfen – wenn Not am Mann sei. Bereits jetzt sind 26 Frauen im Bistum mit diesem Dienst beauftragt. Sie werden noch 2023 erstmals ans Taufbecken treten und Kinder taufen. Die Freude in den Familien ist groß, denn einige wünschten sich ausdrücklich eine Frau als Spenderin des Sakraments. (GEA)