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Vom Vorreiter zum Sparpaket-Opfer: Tübingen ringt um die Klimaziele

Tübingen will seinen Beitrag zur Erderwärmung bremsen. Doch jetzt müssen die Klimaschutz-Ziele neu justiert werden: Durch die schlechte Finanzlage sind viele Maßnahmen bedroht.

Vorbild Tübingen: Neben der B 27 werden die »Lustnauer Ohren« und die Traufwiesen für Solar-Energie genutzt.
Vorbild Tübingen: Neben der B 27 werden die »Lustnauer Ohren« und die Traufwiesen für Solar-Energie genutzt. Foto: Marijan Murat/dpa
Vorbild Tübingen: Neben der B 27 werden die »Lustnauer Ohren« und die Traufwiesen für Solar-Energie genutzt.
Foto: Marijan Murat/dpa

TÜBINGEN. Die Fieberkurve steigt. Seit 2010 lag die Jahres-Temperatur in Deutschland nie mehr unter dem langjährigen Mittelwert. Die Tendenz zeigt klar nach oben in Richtung Erderwärmung. Die Stadt Tübingen hat ein ganzes Bündel von Maßnahmen aufgeführt, die helfen sollen, dieser Entwicklung gegenzusteuern. Die Frage ist nun, was angesichts knapper Kassen noch realisiert werden kann.

»Wir wissen, was wir tun sollten«, sagt Bernd Schott. Der Leiter der Stabsstelle Umwelt- und Klimaschutz und seine Mitarbeiter haben auf vielen Seiten eine lange Liste mit fast 150 Punkten zusammengetragen und den Gemeinderäten vorgelegt. Er rechnet damit, dass die Fraktionen nach eingehender Lektüre zahlreiche Anträge für den Haushalt stellen werden, um wenigstens einen Teil der Maßnahmen umzusetzen.

Bis 2030 klimaneutral? Das wird nicht erreicht

Im Jahr 2019 startete der Gemeinderat voller Optimismus in die neue Legislaturperiode. »Tübingen soll bis 2030 klimaneutral werden«, lautete die Devise. Im Rathaus machte man sich an die Arbeit, um herauszufinden, wo man jeweils am effektivsten den Hebel ansetzen sollte.

Und alle Beteiligten bis hin zu den Bürgern zogen mit. Die Umrüstung der Busse und das Engagement für Nahwärmenetze sind zwei der Punkte, wo sich bald Erfolge gezeigt haben. Die Stadtverwaltung bot zahlreiche Beratungen an.

Inzwischen ist klar: Das ursprüngliche Ziel ist bis 2030 nicht zu erreichen. Und ganz generell steht der Klimaschutz bei vielen nicht mehr ganz oben auf der Agenda. Doch entschiedene Schritte könnten die Unistadt weiter voranbringen.

Drittgrößter Solarthermie-Park

Viele Maßnahmen haben im Sektor Wärme und Heizen eine deutliche Verbesserung bewirkt. Die Zahl der Hausanschlüsse ans Fernwärmenetz hat sich in etwas mehr als zehn Jahren annähernd verdoppelt. Das Leitungsnetz ist inzwischen 71 Kilometer lang. Der Solarthermie-Park Au wurde bereits in Betrieb genommen und wird Ende Oktober feierlich seiner Bestimmung übergeben. Er ist der drittgrößte seiner Art in Deutschland.

Auch beim Strom gab's Fortschritte. Die Flutlicht-Anlagen auf 20 Sportplätzen wurden auf LED umgerüstet und verbrauchen deutlich weniger. Der Zahl und Größe der Photovoltaik-Anlagen ist allerdings noch zu gering. Gegenwärtig kommt man auf eine Leistung von 50 Megawatt Peak, das reicht bei Weitem nicht, um die 200 Gigawattstunden Strom im Jahr zu produzieren, die man sich für 2030 vorgenommen hat. Generell hat man mit den Anlagen bei den »Lustnauer Ohren« oder den Traufwiesen die Kapazitäten aber deutlich erhöht.

Vier neue Brücken für Radler

Mobilität ist ein weiteres wichtiges Thema, wenn's um Klimaschutz geht. Vier neue Brücken für Radler machen das Umsteigen auf den Drahtesel attraktiver. Die Lade-Infrastruktur für E-Autos wurde ausgebaut und sehr gut angenommen, heißt es im Rathaus.

Beim TüBus-Angebot war man schon mal weiter. Ab 2022 wurden jährlich 80.000 zusätzliche Fahrten in den Fahrplan aufgenommen. Doch 2025 wurde einiges mit den Sparpaketen der Stadt wieder zurückgenommen, und das gilt auch für 2026.

Keine Modellkommune für andere

Was die Tübinger besonders schmerzt: »Der Status als Modellkommune für den Klimaschutz konnte nicht erreicht werden.« Dieser Punkt wurde ersatzlos gestrichen.

Bis Dezember sollen die Anträge der Gemeinderäte vorliegen. Dann will man wieder beraten. Und überlegen, wie Tübingen seinen Beitrag zur Erderwärmung verringert - und seinen Status als Vorreiter in Sachen Klima verteidigen könnte. (GEA)