Seither ist in der Kita mit Ernährungs-Schwerpunkt Schluss mit Gaumen-Monotonie. Ein spezielles Kinderessen? »Das gibt es nicht«, findet Dörr und rattert einige seiner fast 200 Gerichte runter. Ragout vom Huhn in Rosmarin-Gemüsesoße und Röstiecken, hausgemachte Reisfalaffel mit Kräuterdip und Cole-slaw, Rahmlinsen mit Wurzelgemüse – ein Angebot wie im Restaurant.
Und die Kinder, die mögen es, versichert der Koch. Nun, manchmal bedarf es auch etwas Überzeugungsarbeit. Wie heute: An den Karotten-Weißkraut-Rohkostsalat will der kleine Marvin nicht so recht ran. Nach gutem Zuspruch wandert die Gabel dann doch Richtung Mund – erst wird zaghaft gekaut, dann immer kräftiger: »Okee, des schmeckt sehr lecker, noch mal!« Den Teller leer essen muss niemand, erklärt Dörr, aber probieren schon. Ein Feedback bekommt der Koch meist direkt zugeworfen, jeden Tag isst er zusammen mit den Kindern und Erzieherinnen.
40 Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und sechs Jahren werden in der Einrichtung in drei Gruppen betreut. »Die ganz Kleinen führt man langsam ans Essen ran«, erklärt Dörr. Überhaupt werden die Speisen kindgerecht zubereitet, Gewürze sanft dosiert und hier und da etwas Süße beigemischt. Natürlich gibt’s auch in der Casa Kitana die gewöhnlichen »Renner« und »Penner«: Maultaschen sind der Hit, Blumenkohl muss beworben werden. Nur einmal die Woche gibt es Fleisch, an den restlichen Tagen wird vegetarisch oder auch vegan aufgetischt. Für den »Fleischosaurus« Dörr eine Herausforderung. Inzwischen ist er Fan der vegetarischen Küche.
Bei der Auswahl der Gerichte achtet der Koch darauf, dass Lebensmittel aus der Region und der jeweiligen Jahreszeit serviert werden. Eingekauft wird meist auf dem Großmarkt. Was selbst hergestellt werden kann, wird auch selbst gemacht, das Pesto etwa, Kräutersalz oder Gemüsebrühe und Soßen. Über das »Cook&Chill«-Verfahren, bei dem vorbereitetes Essen aufgewärmt wird, denkt er übrigens nicht schlecht. »Das ist absolut gebräuchlich.« Nur, dass Großanbieter es sich selten leisten können, regional zu kochen, das gibt er zu bedenken.
Gerne würde Dörr »bio« kochen, »doch das habe ich mir abgeschminkt«, erklärt er mit Blick auf die Kosten. »Bei 2,50 Euro pro Essen liegt die Schmerzgrenze bei Eltern«, denkt er. In der Casa Kitana werden 3,90 Euro verlangt – der Preis für den Luxus, einen eigenen Koch zu haben. Die 75-Prozent-Stelle von Dörr will bezahlt sein. Aber die Eltern ziehen mit, weil sie vom Angebot überzeugt sind. »Die Resonanz ist äußerst positiv«, so Dörr. Würde er allerdings zu Bioware greifen, müsste der dreifache Preis verlangt werden. »Das können wir den Eltern nicht vermitteln.«
Gemeinsam Spätzle schaben
Zehn Anfragen von anderen Kitas, die sich auch gerne von ihm bekochen lassen würden, hat Dörr bereits vorliegen. Schon einmal hatte er über ein Jahr lang zwei weitere Einrichtungen beliefert. Schnell waren aber die Kapazitäten der kleinen Küche gesprengt, zudem musste eine Küchenhilfe angestellt werden, die ebenfalls bezahlt sein wollte.Auf eine angemessene Vergütung legt Dörr Wert. »5,80 Euro für einen Mittagstisch mit Suppe und Nachspeise – das geht nicht«, kritisiert er. »Was sind da die Löhne?« Er plädiert auch dafür, den Wert von Lebensmitteln anzuerkennen. »Da muss ein Umdenken passieren.«
Daher achtet er in der Casa Kitana darauf, den Kleinen ein Bewusstsein für Essen und Trinken zu vermitteln. Gemeinsam werden Spätzle geschabt, Butter und Marmelade hergestellt und Bäcker und Metzger besucht. Oder es wird Orangensaft mit anderen Säften vermischt, die es dann rauszuschmecken gilt. Das grüne Gebräu, das heute auf den Esstischen steht und »Zaubertrank« getauft wurde, ist jedenfalls heiß begehrt. (GEA)