TÜBINGEN. Die Friedensbewegung hat es schwer. Seit dem brutalen russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wächst in der Bevölkerung das Verständnis für Aufrüstung, zudem hat eine krude Mischung aus früheren Corona-Querdenkern und Rechten den Friedensappell für sich gekapert, wie bei den »Gemeinsam für Deutschland«-Demonstrationen in Reutlingen. Auch hat sich der Ruf der Bundeswehr durch die Unterstützung in der Corona-Pandemie und bei der Naturkatastrophe im Ahrtal deutlich verbessert, während in der Friedensbewegung »die Zeit stehen geblieben« zu sein scheint, wie die Jugend des »Antimilitaristischen Aktionsnetzwerks« in der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG) selbst schreibt. Auf deren Homepage heißt es weiter: »Die Friedensbewegung altert leider zusehends. Spätestens mit dem Aussetzen der Wehrpflicht hat die Bewegung den Kontakt zu jungen Leuten endgültig verloren.«
Bundeswehr als »Braunes Heer«?
Da kam der DFG-Jugend eine medienwirksame Aktion gerade recht. Anlässlich des Veteranentags der Bundeswehr, der am vergangenen Sonntag erstmals begangen wurde, kaperten die Aktivisten bundesweit Werbeflächen, um eigene Plakate anzubringen. Etwa auch in der Tübinger Frondsbergstraße, wo täuschend echt im Layout der Bundeswehr zu lesen war »Deutscher Mix: Nazis, Patronen, Einzelfälle – Nein zum Veteranentag!« Die Anti-Werbung schließt mit dem Balkenkreuz-Logo der Bundeswehr und dem Untertitel »Braunes Heer«.
Die Bundeswehr selbst sieht die Adbusting-Kampagne – als Adbusting bezeichnet man die Aktionsform der Kaperung von Werbeflächen und bekannten Unternehmensdesigns – gelassen. Oberstleutnant Stephan-Thomas Klose, Pressestabsoffizier beim Unterstützungskommando der Bundeswehr, erinnert an die Bundeswehr-Kampagne »Wir kämpfen auch dafür, dass Du gegen uns sein kannst«. Dies solle die liberale Haltung der Bundeswehr verdeutlichen, auch Kritik an ihr zuzulassen. »Und das tun wir auch in diesem Falle«, schreibt Pressestabsoffizier Klose, um den Aktivisten dann doch einen Seitenhieb mitzugeben: »Der Veteranen-Tag am 15. Juni war ein voller Erfolg. Er hat viele Menschen im Land mobilisiert, zu den Veranstaltungen der Bundeswehr zu kommen. In Berlin waren es über 10.000. Aber natürlich gibt es auch andere Meinungen und Haltungen. Das müssen wir aushalten können.«
Letzteres gilt wohl auch für die Firma Ströer, die in Tübingen für die Werbeschaukästen an den Bushaltestellen verantwortlich ist. Ein Unternehmenssprecher, der nicht namentlich zitiert werden möchte, erklärt, dass das Adbusting eine juristischen Grauzone sei. Da die Aktivisten die Plakatwände mit einem einfach Rohsteckschlüssel aus dem Baumarkt öffnen können, wird bei den Adbusting-Aktionen nichts beschädigt. Anzeigen würden daher zu nichts führen – stattdessen versuchen die Werbefirmen, die falschen Plakate »sehr schnell zu neutralisieren«.
Ermittlungen laufen indes auch ins Leere, weil beim Antimilitaristischen Aktionsnetzwerk keine Mitgliedschaft notwendig ist – örtliche Gruppen können die Plakate einfach online bestellen, wer wann wo »zuschlägt«, ist daher kaum nachzuvollziehen. In Stuttgart wurden 45 Werbevitrinen auf diese Weise gekapert, in Tübingen traf es unter anderem auch die Haltestellen »Landestheater« und »Uni-Kliniken Tal«. Die Schaukästen sicherer zu machen, werde von den Werbefirmen »laufend geprüft«. Der Aufwand eines Umbaus wird aber offenbar doch gescheut.
Bundesweite Aufmerksamkeit
Für diese bundesweiten Aktionen und die Schlagzeilen, die hierdurch entstanden, feiern sich die Aktivisten auf ihrer Homepage. Ihr »Kalkül« sei aufgegangen, brüstet sich sich die Gruppe in einer Zusammenfassung der Medienberichte. Als »Highlights« wird auf den Spiegel und die Titelseite der Dresdner Morgenpost verwiesen, zudem macht sich die Gruppe dort über Ermittlungen der »Cops« in verschiedenen Bundesländern lustig. (ath)