TÜBINGEN. Am Montag eröffnete das Landgericht Tübingen ein Verfahren wegen Volksverhetzung gegen Manuel Tharann. Dieser hatte 2021, während der Corona-Zeit, zwei Kundgebungen in Ofterdingen veranstaltet. Dort hat er jeweils Maßnahmen des Staats zur Bekämpfung der Pandemie mit dem Vorgehen des Nazi-Arztes Josef Mengele verglichen - und dabei erstere als schwerwiegender gewichtet.
Den deutschen Staat, dem er laut eigenen Worten »unfreiwillig« angehöre, respektiere er nicht mehr. Das machte der ohne Verteidiger erschienene, mittlerweile 44-jährige Mann von Verhandlungsbeginn an klar: Er blieb auf seinem Stuhl sitzen, als Richterin Elena Weber den Saal betrat und stand erst widerwillig auf, als sie ihn dazu aufforderte.
Seine weitere Taktik bestand aus Haarspaltereien um den Anklage-Text, Verhöhnungen von Gericht und Polizisten, sowie einer Selbststilisierung als Opfer staatlicher Gewalt. Seine Familie habe durch das Vorgehen des Staats Leid, Diffamierung und Ausgrenzung erfahren, weswegen sie letztlich aus Deutschland weggezogen sei, sagte Tharann. Außerdem warf er Staatsanwalt Lukas Bleier »und Komplizen« vor, in ihm ein Feindbild der Gesellschaft zu sehen.
Angeklagter organisierte zwei Querdenken-Kundgebungen in Ofterdingen
Tharann hatte die beiden Kundgebungen, um die es ging, als Mitglied der Querdenken-Bewegung mitveranstaltet. Sie hatten am 14. und 28. Mai 2021 in Ofterdingen, wo er damals wohnte, stattgefunden. In seiner Rede bezeichnete er die damals eingeführten Regelungen des Staates zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, allen voran die Pflicht, in der Öffentlichkeit Maske zu tragen, als Misshandlung an Kindern.
Die während der Corona-Zeit impfenden Ärzte seien »schlimmer als Mengele«, sagte er damals laut Staatsanwaltschaft auf den Kundgebungen. Damit habe er einen Vergleich mit dem Nazi-Arzt und Kriegsverbrecher Josef Mengele gezogen, der im Konzentrationslager Auschwitz Millionen Menschen in den Tod schickte.
Darüber hinaus behauptete Tharann seinerzeit, durch das Tragen der Maske veranlasse der Staat, dass Kinder mit dem ausgeatmeten Gas Kohlendioxid vergiftet würden. Dies zusammen genommen wertete die Staatsanwaltschaft als Verharmlosung der im NS-Staat begangenen Handlungen vor nicht überschaubarem Personenkreis. Kurz gesagt: Volksverhetzung. Und: Störung des öffentlichen Friedens.
Der Angeklagte bekräftigte, er wolle »gegen den kranken Staat« kämpfen
Der Angeklagte nutzte sein Recht, sich zur Sache zu äußern, in aller Ausführlichkeit. So bekräftigte er vor Gericht seinen Willen, »gegen den kranken Staat zu kämpfen«. Über seine Reden in Ofterdingen sagte er, er habe »einwandfrei argumentiert« – der Vergleich zwischen den Impfärzten und Mengele sei ein rhetorischer Kniff gewesen: Er habe bewusst überspitzt formuliert, damit »was hängen bleibt. Sonst schlafen die Leute ein«.
In seinem Wohnort Ofterdingen sei er selbst als »Staatsfeind Nummer eins« gebrandmarkt, seine Kinder seien drangsaliert worden. Nach den Ferien habe er seinen Sohn von der Schule genommen und zu Hause unterrichten lassen. Daraus entstand eine Kommunikation mit dem Schulamt, die in der Verhandlung noch zum Thema wurde.
Weiterer Vorwurf: Handgreiflichkeiten während Hausdurchsuchung
Denn im Januar 2022 fand eine Hausdurchsuchung beim Angeklagten statt, während dieser er gegenüber Polizisten, nach deren Angaben, handgreiflich wurde. Einen habe er sogar mit dem Kopf gestoßen. Die Beamten suchten eine Tonaufnahme vom Gespräch des Mannes mit dem Schulamt. Denn diffamierende Zitate daraus hatte der Angeklagte auf einem Kanal im Internet wiedergegeben.
Da Tharann darauf bestand, das Gericht müsse die beiden Zeugen vernehmen, die ihn damals aufgrund seiner Rede in Ofterdingen anzeigten, geht das Verfahren in die Verlängerung: Als nächster Verhandlungstermin wurde der 14. November, 9 Uhr, festgelegt. »Ich kann prophezeien, dass ich da fehle«, verkündete der im Ausland lebende Angeklagte. Nebenbei bezichtigte er die als Zeugen aufgetretenen Polizisten der Falschaussage und handelte sich damit möglicherweise gleich das nächste Verfahren gegen sich ein. (GEA)