Logo
Aktuell Prozess

Verbotener Rabatt-Deal? Tübinger Notar muss sich vor Gericht verantworten

Ein pensionierter Tübinger Notar und ein Geschäftsmann aus der Unistadt stehen derzeit vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts. Ihnen wird Bestechlichkeit vorgeworfen, denn der Amtsträger soll dem Geschäftsführer mehrerer Unternehmen illegale Rabatte eingeräumt haben.

Notare sollen für Rechtssicherheit sorgen. In Tübingen wird nun allerdings ein pensionierter Notar angeklagt, weil er einem mita
Notare sollen für Rechtssicherheit sorgen. In Tübingen wird nun allerdings ein pensionierter Notar angeklagt, weil er einem mitangeklagten Geschäftsführer Rabatte abseits der Gebührenordnung gewährt haben soll. Foto: U. J. Alexander/adobe stock
Notare sollen für Rechtssicherheit sorgen. In Tübingen wird nun allerdings ein pensionierter Notar angeklagt, weil er einem mitangeklagten Geschäftsführer Rabatte abseits der Gebührenordnung gewährt haben soll.
Foto: U. J. Alexander/adobe stock

TÜBINGEN. Wer einmal eine Wohnung oder ein Haus gekauft hat, wird es wissen: Die Beurkundung des Kaufvertrags und die Eintragung im Grundbuch müssen bei einem Notar durchgeführt werden. Und die dazugehörige Urkunde samt Kordel und Dienstsiegel geht ordentlich ins Geld - je nach Höhe des Kaufpreises. Gewähren Banken hierzu Kredite, sind die »Kaufnebenkosten« stets eingepreist: weil ihre Höhe von vorneherein klar ist. Die Gebühren für die Arbeit der Notare sind schließlich einheitlich festgelegt, Verhandlungsspielraum gibt es da im Allgemeinen keinen. Nur wenn Rechtsanwälte die notwendigen Unterlagen vorab vorbereiten, kann von den Gebührensätzen abgewichen werden.

Auf diesen Punkt setzt Verteidiger Dr. Benjamin Chiumento, der einen 58-Jährigen verteidigt, der als Geschäftsführer mehrerer Unternehmen vor Gericht steht, weil er einem Notar illegale Rabatte abgerungen haben soll. Staatsanwalt Lukas Bleier warf dem umtriebigen Geschäftsführer, der unter anderem im Immobiliensektor und im Betrieb von Rehazentren aktiv ist, vor, einen Rabatt von 25 Prozent auf alle Beurkunden beim Notar seines Vertrauens eingefordert zu haben. Dieser war demnach auf den verbotenen Deal eingegangen, versprach der 58-Jährige doch viele weitere Beurkundungsvorgänge - ein guter Kunde also. Im Internet lassen sich elf Unternehmen finden, bei denen der 58-jährige Tübinger als Geschäftsführer fungiert.

Folgeaufträge nur gegen Rabatt

Der 68 Jahre alte Rechtsanwalt und Notar, inzwischen im Ruhestand, sei entgegen der notariellen Gebührenordnung auf die Forderungen des Mitangeklagten eingegangen, so der Vorwurf von Staatsanwalt Bleier. Zwar habe der Notar nach Beurkundungen die komplette Summe in Rechnung gestellt, habe dann aber nur rund drei Viertel des Rechnungsbetrags überwiesen bekommen. Anschließend stornierte der heute 68-Jährige die nicht vollständig bezahlten Rechnungen, statt die fehlende Summe anzumahnen. Sechs Fälle listet die Staatsanwaltschaft auf, in denen verschiedenen Firmen des angeklagten Geschäftsführers zu wenig bezahlt haben sollen. Auf rund 17.000 Euro habe der Notar verzichtet - weshalb beide nun wegen Bestechlichkeit vor Gericht stehen.

Wie der ermittelnde Kriminalhauptkommissar als Zeuge vor Gericht aussagte, waren die Vorwürfe ans Licht gekommen, als der angeklagte Notar Ende 2021 in den Ruhestand ging. Seine Nachfolgerin übernahm das Notariat und damit auch den angeklagten Geschäftsführer als Kunden. Als dieser sie auf die »Rabattvereinbarung« ansprach, verneinte sie diese und schaute sich die alten Vorgänge im Notariat genauer an. Eine Meldung an die Aufsichtsbehörde folgte, Reiner Frey, der damalige Präsident des zuständigen Landgerichts Tübingen, stellte daraufhin Strafanzeige gegen den pensionierten Notar. Frey befreite die Notarin von ihrer Schweigepflicht, die daraufhin zahlreiche Unterlagen an die Polizei übergab. Darunter waren 20 verdächtige Vorgänge - elf davon betrafen den nun mit angeklagten Geschäftsführer.

Und doch könnte dies nur die Spitze des Eisbergs sein, wie der Polizeibeamte im Zeugenstand andeutete. Zum einen habe die Notarin nämlich berichtet, dass sie von mehreren weiteren Personen auf derlei »Rabatte« angesprochen worden sei. Und zum anderen hatte der Kriminalhauptkommissar eine Durchsuchungsanregung an die Staatsanwaltschaft formuliert, die aber wohl den daraus resultierenden, großen Ermittlungsaufwand scheute. Es hätten hierfür schließlich »fünf bis sieben Objekte« durchsucht werden müssen, um weitere Unterlagen zu beschlagnahmen und zu durchleuchten, so der ermittelnde Polizeibeamte. Stattdessen blieb es bei den sechs exemplarischen Fällen, die nun vor dem Schöffengericht angeklagt wurden.

Im Gerichtssaal

Richter: Benjamin Kehrer. Schöffen: Priska Schneider und Stefan Bamesberger. Staatsanwalt: Lukas Bleier. Verteidiger: Ralph Walker und Dr. Benjamin Chiumento.

Zu den Vorwürfen machten die beiden Angeklagten zum Prozessauftakt keine Angaben. Stattdessen machten die Verteidiger Ralph Walker und Benjamin Chiumento mehrfach deutlich, dass es offenbar umstritten sei, ob die Gewährung solcher Rabatte überhaupt als ein Straftatbestand zu sehen ist. Zudem seien die vorgeworfenen Tagen - die sich im Zeitraum zwischen 2018 und 2021 abgespielt haben sollen - lange her und eine Wiederholungsgefahr durch die Pensionierung des Notars nicht gegeben. Für seinen Mandanten, den 68 Jahre alten Notar, schlug Walker deshalb eine Einstellung des Verfahrens vor, etwa gegen die Zahlung einer Geldauflage. Staatsanwalt Bleier wollte da zunächst nicht mitgehen und verwies auf das gewerbsmäßige Vorgehen der Angeklagten in immerhin sechs nachgewiesenen Fällen.

Diskutiert wurde auch um die Entbindung der ursprünglich als Zeugin geladenen Notarin von ihrer Schweigepflicht. So hatte der neue Präsident des Landgerichts Tübingen, Dr. Andreas Holzwarth, diese Entbindung für eine etwaige Zeugenaussage nicht gestattet. Stattdessen müssten die Angeklagten die Entbindung selbst bestätigen. Was der angeklagte Geschäftsführer nach einer Verhandlungspause auch tat. Die Verteidigung hofft offenbar, dass die Zeugin bestätigt, dass dem angeklagten Geschäftsführer das Verbot solcher Rabattvereinbarungen nicht bekannt gewesen sei. Der Prozess wurde daher vertagt - das Verfahren wird am 30. Juli ab 9 Uhr fortgesetzt. (GEA)