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Urwahl der Tübinger Grünen: Erfolg oder Desaster für Ulrike Baumgärtner?

Mit 55 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen wurde Ulrike Baumgärtner zur OB-Kandidatin der Tübinger Grünen gekürt. Doch wie gut ist dieses Ergebnis? Darüber ist ein harscher Streit entbrannt, in den sich nun auch ein Landespolitiker eingemischt hat.

Ulrike Baumgärtner, die OB-Kandidatin der Tübinger Grünen.
Ulrike Baumgärtner, die offizielle OB-Kandidatin der Grünen beim Wahlkampf 2022 in Tübingen. Foto: Baumgärtner
Ulrike Baumgärtner, die offizielle OB-Kandidatin der Grünen beim Wahlkampf 2022 in Tübingen.
Foto: Baumgärtner

TÜBINGEN. Die Tübinger Grünen sind tief gespalten in der Frage, wer der beste Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl im Oktober ist. Je weiter der Wahlkampf voranschreitet, desto größer scheint die Kluft zwischen den beiden Lagern zu werden. Auf der einen Seite die Unterstützer von Amtsinhaber Boris Palmer, auf der anderen Seite die von Dr. Ulrike Baumgärtner. Mit der Urwahl am vergangenen Sonntag sollte diese Kluft eigentlich wieder verkleinert werden. Doch das ging gründlich schief.

Baumgärtner, Ortsvorsteherin von Weilheim, war die einzige offizielle Kandidatin bei dieser Wahl. Amtsinhaber Palmer hatte im Voraus erklärt, nicht anzutreten, da er dies nicht mit dem gegen ihn laufenden Parteiausschlussverfahren vereinbaren könne. Baumgärtner bekam 55 Prozent der abgegeben gültigen Stimmen. Nach Deutung des Palmer-Lagers sogar nur 52 Prozent, da die 14 für Boris Palmer eingetragenen Simmen »durch einen Taschenspielertrick« für ungültig erklärt worden seien.

Parallel dazu stimmte die Alternative Liste (AL), der andere Teil der Gemeinderatsfraktion, bei ihrer Urwahl mehrheitlich für Palmer. Seitdem ist der Streit über die Deutungshoheit über diese Ergebnisse in vollem Gange. Rückenwind für Baumgärtner oder eine ziemliche Schlappe?

Für Baumgärtner eine klare Sache

Für Baumgärtner selbst ist die Sache klar: »Das ist ein eindeutiges Ergebnis, weil ich damit die Mehrheit bei den Grünen habe, egal wie man es rechnet. Auch wenn man die Stimmen einrechnet, die bei der Urwahl der Alternativen Liste abgegeben wurden.« Chris Kühn, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Baumgärtner-Unterstützer und Palmer-Kritiker, zeigte sich auf Twitter ebenfalls begeistert: »Gratulation! Starkes Ergebnis.«

Weder stark noch eindeutig findet dagegen der grüne Ex-Umweltminister Franz Untersteller – dessen Frau aus Tübingen stammt – das Ergebnis. 209 der insgesamt 496 Mitglieder des grünen Stadtverbandes hatten nämlich gar nicht bei der Urwahl abgestimmt. Wenn man die einrechnet, konnte Baumgärtner nur 30 Prozent ihrer Partei hinter sich vereinen. »Jemand, der gerade mal 30 Prozent der Basis hinter sich hat, gewinnt keine Volkswahl«, befindet Untersteller. Und rät den Tübinger Grünen, sich auf den Kandidaten zu einigen, »der die OB-Wahl tatsächlich gewinnen kann«. Seiner Meinung nach ist das Amtsinhaber Palmer.

Grünen-Stadträte aus dem Palmer-Lager werden auf Facebook noch deutlicher: Christoph Joachim schreibt nur noch von der »sogenannten Urwahl«, er nennt das Ergebnis für Baumgärtner als einzige Kandidatin »dermaßen schlecht« und »desaströs«. Rainer Drake versucht’s diplomatischer, bezeichnet es aber auch als »eher schlecht«. Er selbst, so schreibt er, würde bei diesem Ergebnis kurz in sich gehen »und dann von einer Kandidatur Abstand nehmen«.

Baumgärtner denkt nicht daran, hinzuschmeißen

Baumgärtner denkt aber gar nicht daran, jetzt hinzuschmeißen: »Wer das fordert, hat nicht verstanden, um was es bei der Urwahl ging.« Schließlich hätte sie auch gegen Boris Palmer nur knapp gewinnen können, »wäre dann aber als Siegerin gefeiert worden«. Sie findet die Wahlbeteiligung »völlig in Ordnung, wenn man sie mit der bei anderen grünen Urwahlen vergleicht«. Sie denkt aber auch, »dass mehr Leute gewählt hätten, wenn Boris Palmer offiziell zur Wahl gestanden wäre«.

Grünen-Stadtrat Bernd Gugel schreibt auf Facebook, dass »gerade die Stilfrage zum eigentlichen Unterscheidungsmerkmal zwischen Ulrike Baumgärtner und Boris Palmer erklärt wurde«. Tatsächlich gewinnt man bei der Lektüre diverser Postings und Kommentare von Tübinger Grünen zunehmend das Gefühl, dass es bei diesem parteiinternen Streit eher um die Person Palmer geht, als um grüne Inhalte.

Luft nach oben in puncto Fairness

Für Baumgärtner jedenfalls ist noch »Luft nach oben« auf der Fairness-Skala des bisherigen Wahlkampfes. Sie sieht sich einer Kampagne ausgesetzt, bei der von Grünen-Stadträten Falschnachrichten über sie verbreitet werden. »Ich habe schon den Eindruck bei den Grünen, dass manche mit Frauen, die in mächtige Positionen aufsteigen, ein Problem haben.« Die 42-Jährige hofft, dass man sich nun auf den Wahlkampf fokussiert »und Inhalte in den Vordergrund gestellt werden«.

Während Palmers Unterstützer auf Facebook offensiv auf Konfrontation zum Baumgärtner-Lager gehen, hält sich der Amtsinhaber indes auffallend zurück. Auf die Frage, ob die Wahl für ihn mit dem Baumgärtner-Ergebnis schon gewonnen ist, gibt’s eine knappe Antwort: »Das wäre maßlose Selbstüberschätzung.« (GEA)