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Aktuell Medizin

Uniklinik Tübingen ist stark gefragt

Das Jahres-Ergebnis liegt deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt

Imposanter Backsteinbau: Die Frauenklinik bekommt einen Anbau.  FOTOS: KREIBICH
Imposanter Backsteinbau: Die Frauenklinik bekommt einen Anbau. FOTOS: KREIBICH
Imposanter Backsteinbau: Die Frauenklinik bekommt einen Anbau. FOTOS: KREIBICH

TÜBINGEN. Steigende Zahlen in der Notaufnahme, mehrere Projekte in der Telemedizin, weitere Bauvorhaben und eine schwarze Null im Budget: Das Uniklinikum in Tübingen ist stark gefragt, nutzt neue Möglichkeiten und meldet ein positives Ergebnis.

»Probier’ ich’s beim Arzt oder fahr’ ich gleich in die Klinik?« Viele Patienten wählen bei akuten Problemen offenbar die zweite Variante – vor allem am Wochenende. Wie Ulrike Ernemann vom Klinikumsvorstand mitteilt, steigt die Zahl der Patienten, die in der zentralen Notaufnahme Hilfe suchen. Zuletzt waren es 30.000 im Jahr.

Baulich bedingt nutzt das Tübinger Klinikum gegenwärtig für die Notaufnahmen sowohl die Crona als auch die Med, beide nebeneinander auf dem Schnarrenberg. Crona steht für Chirurgie, Radiologie, Orthopädie, Neurologie und Anästhesie. Die »Med« ist im Klinik-Alltag die Abkürzung für die Medizinische Klinik.

Nach dem Abriss des IFIBs ist der Blick frei auf Crona (links) und Gesundheitszentrum.
Nach dem Abriss des IFIBs ist der Blick frei auf Crona (links) und Gesundheitszentrum. Foto: Joachim Kreibich
Nach dem Abriss des IFIBs ist der Blick frei auf Crona (links) und Gesundheitszentrum.
Foto: Joachim Kreibich

Nach einer Ersteinschätzung werden die Patienten in die zuständigen Bereiche weitergeleitet. Dafür sollen in der Regel zehn Minuten ausreichen. Ernemann wirbt um Verständnis dafür, dass es mitunter deutlich länger dauern kann. Kommt ein Schlaganfall-Patient, hat er Vorrang und wird »blitzschnell durchgeschleust«. Weniger bedrohlich Erkrankte müssen dann Wartezeit in Kauf nehmen.

»Wir befinden uns immer an der Kapazitätsgrenze«

Das System der kassenärztlichen Vereinigung sieht eigentlich vor, dass alle leicht Erkrankten die Kurzwahl-Nummer 116117 wählen und mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst Kontakt aufnehmen. Liegt ein akuter Notfall vor, verständigt die Leitstelle den Rettungsdienst. Viele Patienten lassen sich stattdessen aber mit hohem Fieber, starken Bauchschmerzen, Atemnot, Schwindel oder Erbrechen gleich in die Klinik fahren. Klinikumschef Jens Maschmann weiß: »Bei uns brennt immer Licht.«

Nach Einschätzung des Ärztlichen Direktors wird sich am Trend auch in absehbarer Zeit nichts ändern. Auch wenn die Kliniken gegen Entlastung nichts einzuwenden hätten. »Wir befinden uns immer an der Kapazitätsgrenze. Das ist seit 15 Jahren so.« Corona sorgte noch einmal für einen heftigen Schub. »Die vergangenen vier Jahre war es noch extremer«, sagt Maschmann.

Auch unter neuer Leitung: Die Uniklinik bleibt eine Dauerbaustelle. Bamberg-Nachfolger Jens Maschmann verweist auf eine Liste von neun Vorhaben, bei denen sich 2024 Bedeutendes tut. So kommt die Sanierung der Stationen in den Crona-Kliniken gut voran. Die Ebene 7 wird wieder in Betrieb genommen. Im Juli wird Richfest gefeiert bei den Schüler- und Personalwohnheimen. Die Häuser westlich des Breiten Wegs sollen Platz bieten für mehr als 500 Beschäftigte und sind die Voraussetzung für das neue Lehr- und Lernzentrum: ein Vorzeigeprojekt der Tübinger. Mindestens 130 Millionen Euro teuer.

Für dieses Jahr ist viel geplant

Die Pflegestationen der Hautklinik sind vermutlich bis Ende des Jahres fertig saniert. Die Inbetriebnahme der neuen Psychosomatik im ViTa-Anbau steht im November an. Im April startet der Bau eines neuen Parkhauses der Tal-Kliniken. Das bisherige wird abgerissen. Und bei der Erweiterung der Frauenklinik will man gegen Ende 2024 loslegen. Der Anbau steht hinter dem jetzigen markanten Gebäude und ist für jemanden, der auf der Straße vorbeifährt, nicht zu sehen.

Jens Maschmann, neuer Ärztlicher Direktor der Uniklinik, hat eine Dauerbaustelle geerbt. FOTO: SCHANZ
Jens Maschmann, neuer Ärztlicher Direktor der Uniklinik, hat eine Dauerbaustelle geerbt. FOTO: SCHANZ
Jens Maschmann, neuer Ärztlicher Direktor der Uniklinik, hat eine Dauerbaustelle geerbt. FOTO: SCHANZ

Eine entscheidende Rolle für die Arbeit der Kliniken spielt die Finanzierung. Bundesweit haben 34 Krankenhäuser Insolvenz angemeldet. In Baden-Württemberg gibt’s nur noch 199 Krankenhäuser – Tendenz sinkend. In Tübingen hingegen ist man zuversichtlich, dass man die angestrebte »schwarze Null« wieder erreicht hat. Der Jahresabschluss wird derzeit erstellt. 2021 blieben unterm Strich 5,7 Millionen Euro, 2022 war mit sechs Millionen Euro sogar noch etwas besser.

»Das Klinikum ist eine Jobmaschine«

Noch erfreulicher wird das Tübinger Ergebnis, wenn man auf die Lage der Unikliniken insgesamt blickt. Der Durchschnitt bei den 31 Unikliniken in der Bundesrepublik ist ein dickes Minus von 29,3 Millionen Euro. Tübingen ist bei dem Viertel, das keine roten Zahlen schreibt. Hier klafft kein Loch.

Telemedizin wird schon seit 2010 genutzt. Aber die jüngsten Entwicklungen machen Formen der Zusammenarbeit möglich, die man so noch nicht gekannt hat. Zum Beispiel bei der Neurologie im Krankenhaus Freudenstadt. Die Tübinger Fachleute schauen sich am Rechner Laborwerte und andere Befunde von Erkrankten an und unterstützen damit ihre Kollegen im Schwarzwald. Im pädiatrischen Intensiv-Telenetzwerk Südwest reicht der Radius noch viel weiter. Und für die Teletransplant-Plattform mit Videosprechstunde, Online-Chat und digitaler Gesundheitsakte gab’s den German Medical Award, auf den man im Vorstand durchaus stolz ist.

»Wir kriegen die Plätze fast alle besetzt«

Positive Nachrichten hat auch die stellvertretende Pflegedirektorin Renate D. Fuhr. Die etwa 800 Ausbildungsplätze sind besetzt. »Wir kriegen sie fast alle voll.« Etwa zehn Prozent brechen die Ausbildung ab oder bekommen eine Verkürzung. Das aus anderen Ländern geholte Pflegepersonal geht nicht sofort wieder, sondern bleibt länger. Etwa die Hälfte derjenigen von den Philippinen und aus Italien (beziehungsweise Südeuropa) sind schon fünf Jahre dabei.

Eine Pflegekraft für 37 Patienten: Der Wert am Uniklinikum ist gut, sagt Renate D. Fuhr.  FOTO: MÜLLER/UNIKLINIKUM
Eine Pflegekraft für 37 Patienten: Der Wert am Uniklinikum ist gut, sagt Renate D. Fuhr. FOTO: MÜLLER/UNIKLINIKUM
Eine Pflegekraft für 37 Patienten: Der Wert am Uniklinikum ist gut, sagt Renate D. Fuhr. FOTO: MÜLLER/UNIKLINIKUM

Ein zentraler Wert ist der sogenannte Pflegepersonalquotient. Je höher, desto stressiger ist der Job, weil eine Kraft mehr Patienten betreuen muss. Am Uniklinikum dürfen Patienten und Personal zufrieden sein. Der PPQ lag zuletzt bei 37,27. Die Reutlinger Kreiskliniken kamen auf 47,11. Die Verteilung in der Tropenklinik (52,6), dem Stuttgarter Marienhospital (52) und der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (57,3) ist für alle ungünstiger. Das Kreiskrankenhaus Leonberg ist mit einem Wert von 70,78 weit abgeschlagen.

Nach wie vor ist das Klinikum ein Riesenbetrieb mit 11.000 Beschäftigten (viele in Teilzeit). »Das Klinikum ist eine Jobmaschine«, sagt Holger Diemer, Leiter des Geschäftsbereichs Finanzen. Im vorigen Jahr kamen 130 weitere Stellen dazu. (GEA)

FAST 480.000 PATIENTEN

Die Zahl der stationären Patienten hat noch nicht wieder ganz das Vor-Corona-Niveau erreicht. Damals lag man über der Marke von 70.000 im Jahr, 2023 wurden etwas mehr als 68.000 Patienten stationär behandelt. Der Medizinische Fortschritt bringt es mit sich, dass viele Operationen ambulant ausgeführt werden können. 407.000 Menschen waren im vorigen zur ambulanten Behandlung im Klinikum. (-jk)