TÜBINGEN. Internationale Kontakte und feste Partnerschaften spielen für Hochschulen eine entscheidende Rolle. Tübingen ist gut vernetzt und hat unter anderem 260 Partnerhochschulen weltweit. Seit 2019 ist man zudem Teil des Civis-Netzwerks, das von der EU cofinanziert wird.
Rektorin Karla Pollmann, die über sehr viel Auslands-Erfahrung verfügt, hatte im vorigen Jahr die Präsidentschaft in dieser Europäischen Universitätsallianz übernommen. Die Präsidentschaft wechselt regelmäßig. Nach Tübingen ist nun die Uni Glasgow dran.
Pollmann zieht eine durchaus positive Bilanz ihrer Amtszeit. Man habe einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit sowie auf den Ausbau der strategischen Partnerschaften mit afrikanischen Unis gelegt. Und die jährliche Konferenz der Mitglieder mit rund 200 Teilnehmern hat sich offenbar als sehr ertragreich erwiesen.
»Im Rückblick zeigt sich, dass die Tübinger Tagung richtungsweisend für die weitere Entwicklung der Allianz war. Viele Kontakte konnten hergestellt werden, einige Initiativen wurden bei den Tübinger Treffen initiiert und beginnen nun Früchte zu tragen«, sagt Pollmann. So habe sich in Tübingen nun ein transdisziplinärer Masterstudiengang formiert zu den Themen Klima, Umwelt und Energie. Er wird Studienmöglichkeiten an allen elf europäischen und mehreren afrikanischen Partner-Unis umfassen.
Appetitmacher für Erasmus
Auf akademischer Ebene wurde während der Tübinger Präsidentschaft das Angebot der »Blended Intensive Programmes (BIPs)« kontinuierlich ausgebaut. Diese Kurse kombinieren Online-Lehrveranstaltungen und eine einwöchige Präsenzphase an einer Civis-Uni. Studierenden, denen ein ganzes Auslandssemester zu lang ist, können hier internationale Erfahrung sammeln. Doch eigentlich mache das Format Lust auf mehr, so die Meinung der Studierenden: »Ein BIP ist der perfekte Appetizer für das Erasmus-Programm.«
Zu den längeren Austauschformaten gehören auch gemeinsam angebotene Studiengänge wie der genannte Masterstudiengang rund um das Thema Klimawandel. »Hier wurden während der Tübinger Präsidentschaft klare Prioritäten gesetzt und eine Liste von circa zehn Studiengangsprojekten aufgestellt, die nun innerhalb der Civis-Allianz strategisch weiterverfolgt werden«, heißt es in der Tübinger Stabsstelle.
Ausgebaut wurden afrikanische Partnerschaften. Während der Tübinger Präsidentschaft wurden in einer Pilotphase sieben BIPs mit direkter Beteiligung der afrikanischen Partner angeboten, acht weitere wurden für deren Studierende geöffnet. »Um mit Klimawandel, Migration oder sozialer Ungleichheit umzugehen, braucht es den globalen Schulterschluss«, ist Pollmann überzeugt.
Vieles geht digital ohne zu reisen
Eine starke Verbindung in Forschung und Lehre bedeutet darüber hinaus das von der EU geförderte Jean-Monnet-Netzwerk Poly-Civis, das 21 Unis zusammenbringt: alle elf europäischen Unis, alle sechs strategischen Partner in Afrika und weitere vier Unis auf diesem Kontinent (aus Ghana, Kenia, Burkina Faso und der Demokratischen Republik Kongo). Poly-Civis widmet sich der Suche nach gesellschaftlichen und politischen Antworten auf die Polykrise, heißt es. es geht also um die Kombination gleichzeitiger, großer gesellschaftlicher Krisen, mit denen sowohl Afrika als auch Europa konfrontiert ist, zum Beispiel in den Bereichen Klima, internationale Sicherheit, Demokratie, Gesundheit oder Migration.
Zur weiteren Einbindung der afrikanischen Partner haben Civis-Vertreter mittlerweile alle sechs afrikanischen Unis besucht. Gespräche im jeweiligen Land bilden eine Grundlage für die Gestaltung der künftigen Zusammenarbeit. Dabei liegt die Federführung bei der Uni Tübingen, die den Koordinator für die globalen und insbesondere afrikanischen Partner von Civis stellt. Auch nahmen erstmals die afrikanischen Partner an den Sitzungen des Lenkungsgremiums der Allianz teil.
»Nachhaltigkeit bleibt auch künftig einer der wichtigsten Werte, denen sich Civis verpflichtet sieht. Das Bündnis will ›grüne Mobilität‹ fördern und dafür werben, innerhalb von Europa vor allem mit dem Zug zu reisen«, berichtet Karla Pollmann.
Nachhaltig heiße auch, Entscheidungen zu treffen, ob ein Treffen überhaupt eine Reise erfordert, oder wo in Forschung und Lehre digitale Formate sinnvoll sind. »Ein wichtiger Baustein dafür ist die Schaffung eines gemeinsamen, überwiegend virtuellen Campus der Civis-Partneruniversitäten.« (GEA)
CIVIS-ALLIANZ
Elf Unis aus Europa, vier strategische Partner in Afrika
Die Civis-Allianz ist ein Zusammenschluss von elf Forschungsunis in Europa und vernetzt mehr als 470.000 Studierende und 58.000 Beschäftigte, darunter 35.000 Forschende. Beteiligt sind unter anderem Aix-Marseille, Brüssel, Rom, Madrid, Stockholm, Glasgow und Lausanne. Seit 2022 gibt es sechs strategische Partner-Unis. Sie befinden sich in Marokko, Senegal, Tunesien, Uganda, Mosambik und Südafrika. Civis steht für »A European Civic University« und wurde 2019 ins Leben gerufen. Die Beteiligten haben es sich zur Aufgabe gemacht, einen Campus zu schaffen, auf dem sich Studierende und Wissenschaftler aus mehreren Ländern ebenso leicht bewegen und zusammenarbeiten können wie in ihrer Heimatuni. Die Stabsstelle an der Uni Tübingen leitet Georg Hauzenberger, zum Team gehören Anna Thorwart und Anja Schön. (-jk)