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Aktuell Prozess

Unerlaubte Geschäfte: Tübinger Vapes-Händler zu Geldstrafen verurteilt

Vor dem Amtsgericht müssen sich die Geschäftsführer einer Kette für E-Zigaretten und Liquids verantworten. Der Vorwurf: Sie boten in ihrem Laden in der Unistadt Produkte mit den Cannabinoiden CBD und H4CBD an - die in Deutschland nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen.

Eine Frau bei der Nutzung einer E-Zigaretten. Über die Inhaltsstoffe und die gesundheitlichen Folgen des Konsums von E-Zigarette
Eine Frau bei der Nutzung einer E-Zigaretten. Über die Inhaltsstoffe und die gesundheitlichen Folgen des Konsums von E-Zigaretten gibt es zahlreiche Debatten. Foto: Marijan Murat/dpa/dpa
Eine Frau bei der Nutzung einer E-Zigaretten. Über die Inhaltsstoffe und die gesundheitlichen Folgen des Konsums von E-Zigaretten gibt es zahlreiche Debatten.
Foto: Marijan Murat/dpa/dpa

TÜBINGEN. Die Aufmachung ihrer Läden: Hochglanz, schwarz-weiß, peppige Musik im Hintergrund. Ein sauberer Look für ein sauberes Image für die angepriesene gesunde Alternative zum Rauchen von Zigaretten: das immer beliebter zu werden scheinende Dampfen von E-Zigaretten, auch Vapes genannt. In den batteriebetriebenen Geräten, die oft genug im Restmüll landen, werden nikotinhaltige Flüssigkeiten (Liquids) verdampft, durch verschiedene Aromen in allen Geschmacksrichtungen zu haben. Die Branche feiert das als vermeintlich gesunde Alternative zum Rauchen, sei die Anzahl der Schadstoffe doch deutlich geringer als in herkömmlichen Zigaretten, deren Absatz stetig zu sinken scheint: Wurden im Jahr 2000 noch fast 140 Milliarden Zigaretten in Deutschland verkauft, so waren es 2023 nur noch 64 Millarden, so der Beauftragte des Bundes für Drogen- und Suchtfragen.

Von »gesunden Vapes« will das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) indes keinesfalls sprechen. Stattdessen sehen die Experten durchaus gesundheitliche Risiken. »Denn der ausgestoßene Dampf enthält eine große Zahl an festen und flüssigen Stoffen, die unter anderem das Herzkreislaufsystem und die Lunge schädigen können«, ist auf der Internetseite des BfR zu lesen. Weiter heißt es dort: »Analysedaten deuten darauf hin, dass beim Erhitzen der jeweiligen Liquids krebserzeugende Substanzen wie Formaldehyd und Acetaldehyd sowie das zelltoxische Acrolein entstehen können.« Vom Saubermann-Image bleibt da nicht viel übrig. Zumal auch vor dem passiven Einatmen der Dämpfe gewarnt wird. »Weder direkte Nutzer noch passiv davon Betroffene können einschätzen, ob von dem Dampf gesundheitliche Risiken ausgehen«, schreibt das BfR und empfiehlt, das Dampfen im Beisein von Kindern, Schwangeren oder Kranken zu unterlassen.

Synthetisches Cannabidiol vertrieben

Vor dem Tübinger Amtsgericht mussten sich nun zwei Männer verantworten, die in einem Vapes-Store in der Unistadt noch einen Schritt weiter gegangen sind: Sie boten Liquids und Öle mit Cannabidiol (CBD) und synthetisch hergestelltem Hexahydrocannabidiol (H4CBD) an. Während CBD in der Cannabispflanze vorkommt, lässt sich H4CBD nur künstlich herstellen, ist dafür wesentlich stärker und psychoaktiver. CBD ist in Deutschland als Medikament verschreibungspflichtig, verschiedene Hersteller bemühen sich aber, das Cannabidiol als »Nahrungsergänzungsmittel« oder »Novel Food« zuzulassen. Bisher ohne Erfolg.

Mehrere Einweg-E-Zigaretten liegen auf einem Tisch. Sie erinnern äußerlich an farbige Filzstifte und es gibt sie in fruchtigen G
Mehrere Einweg-E-Zigaretten liegen auf einem Tisch. Sie erinnern äußerlich an farbige Filzstifte und es gibt sie in fruchtigen Geschmacksrichtungen. Die Warn-Piktogramme sind indes eindeutig. Foto: Moritz Frankenberg/dpa
Mehrere Einweg-E-Zigaretten liegen auf einem Tisch. Sie erinnern äußerlich an farbige Filzstifte und es gibt sie in fruchtigen Geschmacksrichtungen. Die Warn-Piktogramme sind indes eindeutig.
Foto: Moritz Frankenberg/dpa

Ähnlich der Neuen Psychoaktiven Substanzen (NPS), von denen in Europa inzwischen über 1.000 bekannt sind und die als »Badesalze«, »Legal Highs« oder »Räuchermischungen« vertrieben werden, entwickelt sich hier eine Art Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Behörden und den Verkäufern. »Da gibt es viele Änderungen. Auch für uns ist schwer einzuordnen, was noch legal ist und was nicht«, erklärte vor dem Amtsgericht ein Lebensmittelkontrolleur des Landratsamts Tübingen, der als Zeuge geladen war. Im Juni vergangenen Jahres hatte er den Store der Angeklagten kontrolliert und dabei mehrere Produkte mit CBD und H4CBD entdeckt. Der 43-Jährige fotografierte die Etiketten ab, um weitere Experten hinzuzuziehen. Drei Tage später kam der Kontrolleur erneut in den Laden - und nahm »Verdachtsproben« mit.

Labore in Sigmaringen und Karlsruhe

»Die Liquids gingen an das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt nach Sigmaringen, die CBD-Öle an ein Labor in Karlsruhe«, berichtete der Lebensmittelkontrolleur. Monate später stand fest: Die Produkte sind in Deutschland nicht verkehrsfähig. Hinzu kam: Das Öl war als Kosmetikprodukt zur »Pflege der Mundschleimhaut« vertrieben - weil eben die Zulassung als Lebensmittel nicht möglich war. Staatsanwältin Carolina Braun sprach von »Lifestyle-Produkten zur oralen Anwendung«, deren Verpackung die Öle »bewusst als Lebensmittel darstellte, mit einer Pipette als Dosierhilfe«. Folglich erging ein Strafbefehl an die Geschäftsführer der »Aktiengesellschaft« mit Läden in Böblingen, Stuttgart und Tübingen, zwei Männer im Alter von 34 und 30 Jahren.

Der Einspruch gegen diesen Strafbefehl führte die beiden verheirateten Männer nun mit ihren Anwälten Matthias Kneissl und Martin Mosat vor das Amtsgericht. Richter Heiner Römhild sah einen »bedingten Vorsatz«, auch wenn die Anwälte mit Erklärungen für ihre Mandanten betonten, diese hätten in bestem Wissen gehandelt - und die Illegalität der zum Verkauf angebotenen Ware nicht erkennen können. Dabei hatte die Staatsanwaltschaft Stuttgart bereits 2023 ein Verfahren angestrengt, welches allerdings eingestellt wurde. Am Ende sprach auch Richter Römhild von einer »Grauzone«, die Männer hätten aber den Kundenwünschen entsprochen, ohne sich um die rechtlichen Aspekte zu kümmern. Römhild schlug eine Einstellung des Verfahrens an, gegen eine Geldauflage von jeweils 3.000 Euro an ein Kinderhospiz.

Die Angeklagten nahmen das dankend an - verwiesen aber auf ihre schlechte Einkommenssituation. Die Inhaber dreier Ladengeschäfte und eines Online-Stores würden nur von jeweils 850 Euro brutto leben - und von Kindergeld. Richter Römhild reduzierte die Geldauflage dann auf jeweils 1.800 Euro und wünschte beiden viel Erfolg mit ihren Geschäften. Dort dürfte der Balanceakt am Rande der Legalität indes weitergehen. Auf der Homepage des Unternehmens ist noch heute zu lesen: »Interesse an CBD-Produkten? Worauf wartest Du? Lass Dich von uns beeindrucken!« (GEA)