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Talheimer Eltern wenden sich mit Brandbrief an Mössinger Verwaltung und Gemeinderat

In den Mössinger Stadtteilen Talheim und Öschingen fürchten die Eltern um die Kernzeitenbetreuungen für die Grundschulkinder. Die Sorge: Durch den vom Land formulierten Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung könnte sich zur optimalen Verteilung des Personals und der Kosten das Angebot an die Ganztagesschulen nach Mössingen verlagern.

80 Grundschulkinder besuchen die Talheimer Andeck-Schule. Gut die Hälfte von ihnen nutzt das Angebot der Kernzeitenbetreuung. Di
80 Grundschulkinder besuchen die Talheimer Andeck-Schule. Gut die Hälfte von ihnen nutzt das Angebot der Kernzeitenbetreuung. Diese sehen die Eltern jetzt bedroht. Foto: Philipp Förder
80 Grundschulkinder besuchen die Talheimer Andeck-Schule. Gut die Hälfte von ihnen nutzt das Angebot der Kernzeitenbetreuung. Diese sehen die Eltern jetzt bedroht.
Foto: Philipp Förder

MÖSSINGEN-TALHEIM. Sie wechselte demonstrativ die Seite. Verließ ihren Platz am Sitzungstisch des Ortschaftsrats, stellte sich zu den Müttern auf den Zuhörerplätzen und sprach nun als Vorsitzende des Elternbeirats der Andeck-Schule. Das Anliegen von Annika Müller: »Wir möchten einen Brandbrief überreichen, weil wir Veränderungen bei der Kernzeitenbetreuung befürchten, die uns nicht gefallen.«

Adressaten waren nicht nur der Ortschaftsrat, sondern auch der Gemeinderat und natürlich die Spitze der Stadtverwaltung. Die Forderung: »Wir möchten, dass die Kernzeitenbetreuung beibehalten wird wie bisher.« Ein Anliegen, das, so Annika Müller, auch die Öschinger Eltern unterstützen. Wie bisher, das heißt, morgens vor Schulbeginn von 7 bis 7.50 Uhr, das im Moment etwa 14 Kinder wahrnehmen, und mittags bis 13 oder bis 14 Uhr. Dann sind rund 40 der etwa 80 Schülerinnen und Schüler in der Kernzeitenbetreuung.

Eltern und Kinder auf Betreuung angewiesen

Hintergrund der Sorgen, dass dieses Angebot eingeschränkt werden könnte, ist der Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung, der in Baden-Württemberg vom Schuljahr 2026/27 an für Grundschüler gelten soll. Die Eltern befürchten, dass »die Reduktion der bisherigen Kernzeitbetreuungen an der Andeckschule Talheim und der Filsenbergschule Öschingen mit dem Ziel einer optimalen Verteilung des Personal- und Kostenmanagements für die Stadt Mössingen« zu ihren Lasten gehen könnte.

Das, heißt es in dem Brief weiter, würde für viele Familien »existenzielle Risiken« mit sich bringen. Viele Eltern würden nicht in Mössingen arbeiten, sagt Annika Müller. Sie würden pendeln und bekämen erhebliche Probleme, würde die Betreuungszeit eingeschränkt: »Da wird für unseren Ort etwas entworfen, was gar nicht zu uns passt.«

Stoßrichtung Ganztagesschule

»Ich weiß, dass Druck im Kessel und die Unruhe unter den Eltern groß ist«, bestätigte Ortsvorsteher Elmar Scherer, als er den Brief in Empfang nahm. »Ich habe das Thema bei der Haushaltsklausur im Dezember angesprochen und bekräftigt, dass wir diese Stunden brauchen.« Es sei gut, dass der Ortschaftsrat davon Kenntnis habe, der richtige Ansprechpartner sei er aber nicht: »Das ist zunächst eine Sache zwischen Eltern und Stadt.«

Bei der Stadt ist Heidrun Bernhard zuständig sowohl für den Bereich Bildung als auch für die Finanzen. »Ich kann die Sorgen und Nöte der Eltern verstehen«, sagt sie, »aber ich kann nicht ausschließen, dass es zu Veränderungen kommt. Die Stoßrichtung des Kultusministeriums geht klar in Richtung Ganztagesschule.« Da ist Mössingen schon ganz gut aufgestellt. In der Gottlieb-Rühle-Schule und der Bästenhardtschule gibt es bereits Betreuung von 7 bis 17 Uhr, außerdem Angebote in der Kernzeitenbetreuung.

Kinder werden aus ihrem Umfeld gerissen

Dass Eltern, die Betreuungsbedarf haben, ihre Kinder dann auf eine dieser Schulen schicken, ist für die Talheimer keine Alternative. »Dies hätte zur Folge, dass die Kinder aus ihrem bisherigen sozialen Netzwerk gerissen werden«, heißt es in dem Brief. Hobbys würden darunter leiden, außerschulische Aktivitäten und auch das Vereinsleben.

Mit der Übernahme der Finanzierung der Ganztagsschule will das Land, so Bernhard, die Zuschüsse für die Kernzeitenbetreuung streichen. Womit sich die Frage stellt, was die Stadt künftig selbst bezahlen will. Weil die Haushaltslage nicht sonderlich gut ist, muss die Mössingen sparen und hat eine »Kürzungskommission« eingesetzt. »Der Gemeinderat will wissen, welche Freiwilligkeitsleistungen wir im Moment finanzieren. Und die Kernzeitenbetreuung ist eine Freiwilligkeitsleistung«, sagt Heidrun Bernhard. »Rückschritte nimmt niemand gern in Kauf. Aber können wir uns diese Wahlmöglichkeiten, die wahnsinnig viel Personal binden, überhaupt noch leisten?«

Land hat sich noch nicht in allen Punkten festgelegt

Ähnlich hat es Steffen Eissler im Ortschaftsrat formuliert: »Was kostet die Stadt die Flexibilität, die sich die Talheimer wünschen?« Eissler ist nicht nur Ortschaftsrat, sondern auch Fraktionsvorsitzender der FWV im Gemeinderat und Mitglied in der Kürzungskommission, muss also die ganze Stadt im Blick haben. Dass hier Entscheidungen anstehen - mit möglicherweise einschneidenden Folgen für Familien - sieht er wohl. »Deshalb ist es gut, wenn man sich frühzeitig damit auseinandersetzt. So viel Zeit hat man nicht mehr. Anderthalb Jahre sind im städtischen Kosmos nicht viel.«

Auch Annika Haasis fand, dass es an der Zeit ist, sich damit zu befassen: »Es ist nicht zu früh, weil nicht allen die Sorgen und Nöte der Eltern präsent sind.« Für René Haas war klar: »Die Stadt soll sich bewegen und was aus der eigenen Tasche bezahlen.«

Ein Problem für Heidrun Bernhard: Das Land selbst hat sich noch nicht in allen Punkten festgelegt. »Wir diskutieren im Moment Dinge, die so vielleicht gar nicht kommen. Aber wir hoffen, dass es beim Land schnell geht. Wir möchten das ja auch so schnell wie möglich mit den Gremien und den Eltern diskutieren.« Am Ende, sagt sie, muss dann eben der Gemeinderat entscheiden. (GEA)