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Tübinger verkauft Steine des alten Stuttgarter Bahnhofs

TÜBINGEN. Die Steine, die Manuel Rongen auf seinem Betriebshof lagert, haben Geschichte geschrieben. Zehntausende Menschen sind ihretwegen auf die Straße gegangen und haben demonstriert. Dass es in Baden-Württemberg die bundesweit erste grün-rote Landesregierung gibt, hat auch irgendwie mit ihnen zu tun. Diese Steine sind alles, was von den beiden Flügeln des Stuttgarter Hauptbahnhofs übrig geblieben ist. Jetzt bietet Natursteinhändler Rongen sie zum Kauf. Vor allem engagierte Stuttgart-21-Gegner bauen sich aus den Resten des Kopfbahnhofs Gartenmauen oder kleine Wege.

Natursteinhändler Manuel Rongen
Natursteinhändler Manuel Rongen. Foto: dpa
Natursteinhändler Manuel Rongen.
Foto: dpa
Rund 3000 Tonnen Muschelkalk-Gestein vom Südflügel verkauft Rongen im Moment auf dem Gelände eines ehemaligen französischen Munitionsdepots in Tübingen. Außerdem gibt es Quader vom Karlsruher Hauptbahnhof, Überreste der Messe auf dem Stuttgarter Killesberg oder der Marienbrücke in Dresden. Insgesamt lagern geschätzte 40 000 Tonnen auf dem zwanzig Hektar großen Areal.

»Gebrauchte Steine sind historisches Kulturgut und nicht nur Müll. Das ist eine Frage des Respekts«, mahnt Rongen, der 14 Leute in seinem Naturstein-Park beschäftigt. »Aus harten Felsen haben die Steinmetze früherer Jahrhunderte ohne Maschinen in mühsamer Kleinarbeit Großartiges geleistet«, sagt er. »Den Stuttgarter Bahnhof wegschmeißen, das geht nicht.«

Damals, im Herbst 2010, als der Nordflügel des Bahnhofs abgebrochen wurde, reagierte Rongen sofort und sicherte sich das Abbruchmaterial. Das war alles andere als unumstritten. »Ich wurde mehrfach sehr aggressiv aufgefordert, keine Steine des Nordflügels zu verkaufen und diese nicht anzunehmen. Wir wurden als Leichenfledderer und Kriegsgewinnler beschimpft«, erinnert er sich.

Heute ist die Stimmung anders. »Beim Nordflügel waren die S21-Gegner noch deutlich in der Überzahl. Beim Südflügel hält sich das in der Waage. Es kommen viele, die einfach nur ein Erinnerungsstück möchten.« Die Volksabstimmung Ende November 2011 habe die Lage bei den Kunden deutlich entspannt: »Viele haben genug von dem Thema und können das Wort Bahnhof nicht mehr hören«, sagt er. »Die meisten sind einfach verblüfft von den großen Steinbergen hier und stehen ehrfürchtig vor dem alten Bahnhof, der da liegt.«

Dass er Händler für Natursteine geworden ist, hat Rongen einigen Zufällen in seinem Lebenslauf zu verdanken. Nach dem Abitur studierte er Jura und Biologie, doch er warf die Brocken hin. »Ich war nach der Schule ratlos, was ich machen wollte.« Heute würde er gerne nochmal studieren: Geologie und Architektur. Im Selbststudium hat er sich schon einiges Wissen angeeignet: »Durch jahrzehntelange Erfahrung bei der praktischen Arbeit, wochenlanges Lesen in der Tübinger Universitätsbibliothek und Gespräche mit alten Steinmetzen«, sagt er.

Die Steine, ihre Geschichte und ihre Herkunft sind ihm wichtig. Auch abgesehen vom Streit um Stuttgart 21 seien seine Steine politisch korrekt, betont Rongen. »Denn sie werden nicht wie viele neue Natursteine in Indien, China oder Vietnam unter unwürdigsten Bedingungen und ohne Schutzkleider von Kindern gehauen.«

Rongen findet es wichtig, dass die großen Steine wiederverwertet werden. Gärtner sind seine Kunden, Privatpersonen, Landschaftsbauer, aber auch Gemeinden, Denkmalsanierer, Bauunternehmen, Steinmetze, Restauratoren. Die anderen Verwendungsmöglichkeiten wären den Überresten des Bahnhofs nicht angemessen, findet Rongen. »Entweder würden die alten Steine von einem Steinbrecher zu Schotter zerkleinert und dann im Straßenbau eingesetzt, oder aber sie würden auf Deponien verklappt.« (dpa)