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Tübinger Kreishaushalt: Hilferuf an Bund und Land

Den Kommunen wird es nicht gefallen, die Bürger werden es ebenso zu spüren bekommen: Der Haushalt des Landkreises schreibt tiefrote Zahlen, die Kreisumlage wird deutlich steigen müssen. Das sieht der Haushaltsentwurf 2026 vor, der nun im Kreistag vorgestellt wurde.

Dunkle Wolken über dem Tübinger Landratsamt: Die Kreisfinanzen schreiben ein Defizit, für die Städte und Gemeinden wird es teure
Dunkle Wolken über dem Tübinger Landratsamt: Die Kreisfinanzen schreiben ein Defizit, für die Städte und Gemeinden wird es teurer. Foto: Alexander Thomys
Dunkle Wolken über dem Tübinger Landratsamt: Die Kreisfinanzen schreiben ein Defizit, für die Städte und Gemeinden wird es teurer.
Foto: Alexander Thomys

TÜBINGEN. Der Landkreis Tübingen schreibt tiefrote Zahlen. Schon im Haushaltsplan für das laufende Jahr war ein Defizit von rund zehn Millionen Euro vorgesehen, inzwischen rechnen der neue Landrat Dr. Hendrik Bednarz und Finanzdezernent Christian Herrmann mit einem Minus in doppelter Höhe. Ein Grund dafür: Das Bundesteilhabegesetz. Die Leistungen daraus zahlt das Landratsamt an anspruchberechtigte Personen aus - insgesamt 11,6 Millionen Euro. »Wir haben vom Land aber nur rund fünf Millionen Euro an Zahlungen hierfür erhalten«, betont Bednarz. Im Verlauf der Haushaltseinbringung wiederholt sich dieses Motiv immer wieder: Bund und Land sorgen für steigende Kosten und Ausgaben, bleiben bei einer auskömmlichen Finanzierung aber hinter ihrer Verantwortung zurück.

Das Bundesteilhabegesetz ist dabei nur ein Baustein von vielen, die den Kreishaushalt erheblich belasten. »Die Transferaufwendungen machen den Löwenanteil des Haushaltes aus«, erklärt Landrat Bednarz. Genauer gesagt: rund 60 Prozent. Bei einem Haushaltsvolumen von geplanten rund 380,85 Millionen Euro fließen 233,3 Millionen in den Bereich Jugend und Soziales, wobei die Kosten erheblich gestiegen sind - in die Jugendarbeit flossen 2019 beispielsweise 37 Millionen Euro, 2026 sollen es 63,6 Millionen Euro werden. »Steigende Fallzahlen, steigende Fallkosten«, nennt Kämmerer Andreas Schneider eine einfache Erklärung. Insbesondere die Schulbegleitung würde wesentlich häufiger in Anspruch genommen. Aber auch bei den Sozialleistungen steigen die Kosten: Wurden 2019 noch 74 Millionen Euro ausgegeben, sollen es im kommenden Jahr 108,2 Millionen sein. Der Löwenanteil fließt hier in die Eingliederungshilfen (71,3 Millionen), gefolgt von der Sozialhilfe (18,9 Millionen) und der Grundsicherung (8,5 Millionen).

Wie umgehen mit diesen Kosten? Weil es an Mitteln von Bund und Land fehlt und die Reserven in Form der Rücklage nahezu aufgebraucht sind, bleibt dem Landkreis nur der Griff nach der Kreisumlage, also an den Anteil der kommunalen Einnahmen, den Städte und Gemeinden an den Landkreis abführen müssen. Die Kreisumlage soll daher, so der Haushaltsentwurf, auf 36,4 Prozent steigen - um rund 3,87 Punkte. Rund 24 Millionen Euro sollen so mehr in die Kreiskasse fließen. Insgesamt würden die Städte und Gemeinden im kommenden Jahr so rund 168,7 Millionen Euro zum Kreishaushalt beitragen. »Wir engen den begrenzten Handlungsspielraum der Kommunen damit weiter ein«, gab Landrat Bednarz unumwunden zu. Und verteidigte das Vorgehen: »Wir holen uns das Geld, das wir vom Land nicht bekommen.« Zugleich verspricht der Landrat den Kommunen Entlastungen bei der Bürokratie, etwa bei den Nachweispflichten in Sachen Fördermittel. »Eine Misstrauenskultur ist fehl am Platz. Die kommunale Selbstverwaltung, lebt von Vertrauen.«

»Beim Personal können wir uns nicht gesund sparen«

Bednarz kündigt zugleich »Kosteneinsparungen durch Optimierungen« im Landratsamt an. Man müsse prüfen, welche Vorgänge »drei, vier oder fünf Schleifen« in der Verwaltung benötigten - und die Prozesse vereinfachen. Auch beim Personal spart das Landratsamt, insgesamt sollen hier 4,5 Millionen Euro weniger ausgegeben werden. Neue Stellen sollen keine geschaffen werden, 14 befristete Stellen würden nicht verlängert. Die Personalkosten sollen so 2026 bei 58,25 Millionen Euro liegen. Finanzdezernent Christian Herrmann betonte aber auch: »Beim Personal können wir uns nicht gesund sparen.«

Nahezu absurd niedrig wirken angesichts dieser Zahlen die Investitionen, die der Landkreis im kommenden Jahr tätigen will: Hierfür stehen 14,85 Millionen Euro zur Verfügung. Neue Projekte würden damit nicht in Angriff genommen, laufende Maßnahmen aber umgesetzt, wie etwa ein Neubau für die berufliche Schule in Rottenburg. In die Berufsschulen fließen insgesamt 8,8 Millionen Euro, fast vier Millionen in die Erhaltung der Kreisstraßen und weitere zwei Millionen in sonstige Beschaffungen.

»Es ist ein Unding, dass wir um jeden Euro feilschen müssen, als wären wir Bittsteller - und nicht diejenigen, die die Karre ziehen«

Trotz aller Sparmaßnahmen und der Erhöhung der Kreisumlage ist für 2026 eine Kreditaufnahme in Höhe von rund 11,4 Millionen Euro geplant. Der Schuldenstand des Landkreises zum 1. Januar 2026 wird zudem bei mindestens 76,2 Millionen liegen. Die Schulden sollen ab 2028 sinken, neue Kredite dann nicht mehr aufgenommen werden. »Das können wir leisten, weil dann keine großen Investitionen mehr anstehen.«

In seinen ersten Amtstagen muss Bednarz also Zahlen vorlegen, die insbesondere den Städten und Gemeinden nicht gefallen dürften - die Stimmung im Landratsamt sei dennoch konstruktiv, lobt Bednarz seine Mitarbeiter, die mit der »schwierigen Situation« gut umgehen würden. Ohnehin würde mit den Haushaltsmittel bedacht gearbeitet. »Wir vergraben kein Geld im Garten«, betonte Bednarz, der sich darüber ärgerte, gegenüber Bund und Land als »Bittsteller« auftreten zu müssen. »Es ist ein Unding, dass wir um jeden Euro feilschen müssen, als wären wir Bittsteller - und nicht diejenigen, die die Karre ziehen.«

Die Politik müsse endlich den Mut aufbringen, Strukturen anzugehen und staatliche Leistungen zu überprüfen. Hilfe zur Selbsthilfe und Fördern und Fordern müssten dabei das Leitbild sein, weshalb manche Leistungen zu hinterfragen seien. »Wir müssen im Rahmen der Eingliederungshilfe nicht jeden Besuch beim VfB Stuttgart ermöglichen«, nannte der Landrat ein plakatives Beispiel. Viele Errungenschaften müssten verteidigt werden - aber mit Augenmaß. So wolle der Landkreis den gut ausgebauten öffentlichen Personennahverkehr erhalten, mit Ferienfahrplänen aber dennoch Geld sparen. Auch zur Regionalstadtbahn Neckar-Alb bekannte sich Bednarz erneut und mahnte zugleich, keine weiteren Großprojekte anzugehen. »Es muss uns klar sein, dass jedes weitere wünschenswerte Projekt die Regionalstadtbahn gefährden würde.« (GEA)