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Tübinger Intensivtäter bleibt in Klinik

Ein 52-jähriger Intensivtäter wurde von der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Tübingen dazu verurteilt, dauerhaft in einer psychiatrischen Klinik untergebracht zu werden. Der Mann hatte über Jahre unvermittelt Menschen beleidigt, bedroht und angegriffen - ein Tatmuster, in das der Angeklagte nach Ansicht des Gerichts wieder zurückverfallen könnte. Doch es gibt Aussicht auf Besserung.

Die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Tübingen verurteilte einen 52-Jährigen zu einer dauerhaften Unterbringung in einer psy
Die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Tübingen verurteilte einen 52-Jährigen zu einer dauerhaften Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik. Foto: Paul Runge
Die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Tübingen verurteilte einen 52-Jährigen zu einer dauerhaften Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik.
Foto: Paul Runge

TÜBINGEN. Über Jahre hinweg hatte ein 52-Jähriger die Tübinger Innenstadt in Atem gehalten: Abgetretene Seitenspiegel, demolierte Überwachungskameras und nicht zuletzt Beleidigungen, Bedrohungen und Angriffe gegen unbeteiligte Menschen standen auf der Liste der Anklagepunkte. Einen Geschädigten hatte der Angeklagte nach einem verbalen Hin- und Her hinterrücks mit einer Holzlatte attackiert, einen Senior während einer Pro-Israel-Kundgebung auf dem Holzmarkt mit einer Flasche beworfen und einer Frau unvermittelt den Kopf gegen eine Schaufensterscheibe in der Wilhelmstraße geschlagen - was lange noch nicht alle Taten waren, die vor Gericht verhandelt wurden. Nun urteilte die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Tübingen: Schuld daran hatte der Angeklagte in keinem der Fälle. Der 52-Jährige ist psychisch krank, die Diagnose: paranoide Schizophrenie. Deshalb wird er zur Sicherheitsverwahrung auf vorerst unbestimmte Zeit weiterhin in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht.

Der vorsitzende Richter Dr. Christoph Kalkschmid ging in der Urteilsbegründung davon aus, dass der Angeklagte zu den Zeitpunkten seiner Taten an psychotischen Schüben litt und sah es zudem als erwiesen an, dass der Angeklagte in Zukunft eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen könnte. Der 52-Jährige sei demnach kaum in der Lage, ausreichend für sich selbst und die Beschaffung seiner notwendigen Medikamente zu sorgen. Er lebte zuletzt in einem Waldstück unter einem Wellblech-Verschlag und war polizeibekannt, wie zahlreiche Beamte im Verlauf des Prozesses bestätigten. Klar war für das Gericht: Ohne eine entsprechende Behandlung würde der Obdachlose wieder zurück in alte Muster verfallen. Während des Prozesses hingegen - seit nunmehr August vergangenen Jahres in ärztlicher Obhut und Behandlung - verhielt sich der 52-Jährige vernünftig, zugänglich und teilweise auch schuldbewusst. »Die Behandlung hat gut angeschlagen«, sagte Richter Kalkschmid und wandte sich an den Angeklagten: »Das merken Sie auch.« Lange hatte dieser sich gegen eine bereits 2020 gestellte Diagnose gewehrt und psychische Probleme in der Vergangenheit ausgeblendet.

Hoffnung für den Angeklagten

Einige Taten - wie der Angriff mit der Holzlatte oder den Schlag gegen die Schaufensterscheibe - bestritt der 52-Jährige beharrlich bis zum Ende des Prozesses. In seinem abschließenden Plädoyer zeigte sich Staatsanwalt Marian Jander allerdings davon überzeugt, dass der Angeklagte alle ihm vorgeworfenen Taten begangen habe. Täterbeschreibungen der Zeugen seien in nahezu allen Fällen einheitlich gewesen, auch konnten Geschädigte den Täter einwandfrei auf Bildern identifizieren - und nach jeder Tat konnte der damals Verdächtige im unmittelbaren Umfeld aufgegriffen werden. »Seine Verhaltensweisen waren sicherlich nicht von Vernunft getragen«, sagte Jander. Um weitere Angriffe zu verhindern - so die Forderung des Staatsanwalts - müsse der Angeklagte weiterhin in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht werden. Ein Urteil auf Bewährung komme indes nicht infrage: Dem 52-Jährigen fehle das soziale Auffangnetz, um eine angemessene Behandlung seiner Krankheit in Zukunft zu ermöglichen. Einer Ansicht, der das Gericht folgte - ebenso wie Verteidiger Geprägs: »Die Verteidigung sollte für den Angeklagten den sinnvollsten Weg vorschlagen.« Und dieser sei nunmal die klinische Behandlung.

Im Gerichtssaal

Richter: Dr. Christoph Kalkschmid (Vorsitzender), Alexander Fleck, Bernd Große. Schöffen: Dr. Petra Krüger, Gerhard Maier. Staatsanwalt: Marian Jander. Verteidiger: Hans-Christoph Geprägs. Psychiatrische Gutachterin: Dr. Claudia Hartmann-Rahm. (GEA)

Doch das Gericht setzt Hoffnung in die Genesung des 52-Jährigen. »Sie werden aus der Einrichtung wieder rauskommen«, sagte Richter Kalkschmid bestimmt - wenn alles geordnet für den Angeklagten verlaufe und keine Gefahr mehr von ihm ausgehe. Er brauche vor allem einen geschützten Raum, Betreuung und Tagesstruktur, zudem Zeit, diese Bedürfnisse in einem Leben nach der Unterbringung zu gewährleisten. »Wir sehen, dass Sie auf einem guten Weg sind. Aber der ist noch nicht ganz am Ende.« (GEA)