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Tübinger Gemeinderat beschließt mehr Grün für den Europaplatz

Die Diskussion um die Zukunft des Europaplatzes in Tübingen ist einen Schritt weiter. Im Gemeinderat gab es eine überraschend große Mehrheit für eine Bebauung mit viel Grünfläche.

Derzeit ist der ehemalige Tübinger Busbahnhof am Europaplatz eine Asphaltfläche mit ein bisschen Grün. Jetzt diskutiert der Geme
Derzeit ist der ehemalige Tübinger Busbahnhof am Europaplatz eine Asphaltfläche mit ein bisschen Grün. Jetzt diskutiert der Gemeinderat über die Zukunft des Geländes. Foto: Irmgard Walderich
Derzeit ist der ehemalige Tübinger Busbahnhof am Europaplatz eine Asphaltfläche mit ein bisschen Grün. Jetzt diskutiert der Gemeinderat über die Zukunft des Geländes.
Foto: Irmgard Walderich

TÜBINGEN. Ein Wald, ein Park, ein Kongresszentrum, eine Vergnügungsmeile oder doch lieber eine bunte Mischung an Nutzungen, umgeben von viel Grün, wie es sich die Verwaltung vorstellt: Die Zukunft des ehemaligen Tübinger Busbahnhofs am Europaplatz hat in der Unistadt für viel Gesprächsstoff gesorgt. Am Donnerstagabend wurde im Gemeinderat leidenschaftlich diskutiert, Zwischenrufe und Gelächter aus den Zuhörerreihen inklusive. Die Klimaliste hatte beantragt, die Entscheidung nochmals bis nach der Sommerpause zu vertagen und eine weitere Bürgerbeteiligung auf den Weg zu bringen. Doch die Mehrheit des Gemeinderates sah die Zeit für eine Grundsatzentscheidung gekommen.

Die Diskussion um den Platz dreht sich vor allem darum, wie viel Grün es künftig auf der Asphaltfläche geben soll. Der Vorschlag, diesen zentralen Ort unbebaut zu lassen und dafür den Anlagenpark zu erweitern, fand im Gemeinderat keine Mehrheit. Nachdem immer wieder der Klimaschutz als Argument für einen Park in der Unistadt genannt wurde, stellte Baubürgermeister Cord Soehlke Daten einer Stadtklimaanalyse zur Verfügung. Danach ist die Wärmebelastung auf der Fläche am Europaplatz derzeit zwar sehr hoch, von einem Park seien aber keine großräumigen Auswirkungen zu erwarten. Kompakte Bebauung, die Schatten wirft, mit Grünflächen dazwischen sei für das städtische Klima die beste Lösung. Eine Grünfläche habe, so Soehlke, nachts allerdings Vorteile: Sie kühlt in den Nachtstunden, mit Bebauung bleibt es länger warm. Am Europaplatz setzt der Baubürgermeister auf das Schwammstadt-Konzept. Das heißt, durchlässige Straßenbeläge, Dach- und Fassadenbegrünung und Zisternen. Rund die Hälfte der Fläche ist für Grün- und Verkehrsflächen vorgesehen.

»Die Leute wollen dort nicht Beeren pflücken und Pilze sammeln«

Einen weiteren Klimaschutz-Aspekt betonte Dr. Christian Mickeler (AL/Grüne): Durch die Zentralität des Europaplatzes am Bus- und Hauptbahnhof könne ein lebendiges Wohnquartier bei einem Minimum an motorisiertem Individualverkehr entstehen. Auch gelte das Prinzip der Innenentwicklung. »Der Europaplatz ist kein Biotop, sondern seit 60 Jahren eine tote, heiße Asphaltwüste«, erinnerte Mickeler. Eine lockere Bebauung des Areals nannte Mickeler daher eine »zentrale Klimaschutzmaßnahme« und erntete damit Hohn und Spott von den Zuhörern, die daraufhin von Oberbürgermeister Boris Palmer zurechtgewiesen wurden. Mickeler lies sich in seiner Rede nicht beirren und pochte darauf, »dort zu bauen, wo man ohne Auto hinkommt«. Dies spare mehr CO2 ein als jeder Tiny Forest, ergänzte Mickeler und meinte, bezogen auf den Europaplatz: »Die Leute wollen dort nicht Beeren pflücken und Pilze sammeln.«

Möglichst kleinräumige Konzeptvergabe

Für die drei bis fünf vorgeschlagenen Baukörper plant die Bauverwaltung eine sehr kleinräumige Konzeptvergabe. Damit habe jeder, der ein gutes Konzept hat, die Möglichkeit, ein Stück Europaplatz zu entwickeln. Ein Vorhaben, das im Gremium viel Unterstützung fand. »Sehr mutig« sei diese Art der Vergabe, sagte Florian Zarnetta (SPD). Sollte das Vorhaben gelingen, ganz viele Akteure zusammenzubringen, dann könne so an zentraler Stelle ein »Best of Tübingen« entstehen. Allerdings: Als die Klimaliste am späten Abend über ihre Änderungsanträge einzeln abstimmen lies, stimmte eine große Mehrheit auch dagegen, auf dem Areal auf eine »großflächige Hotelnutzung zu verzichten«. Ob hier ein gewisser Trotz eine Rolle spielte? Oder die schlichte Tatsache, dass mit der geplanten, kleinräumigen Bebauung ohnehin wohl kein großes Hotel entstehen kann.

»Spannend« findet auch Annette Schmidt (AL) die Konzeptvergabe. Ihre Fraktion stellte sich hinter den Verwaltungsvorschlag. Auch die FDP-Fraktion folge dem Verwaltungsvorschlag. Anne Kreim forderte allerdings, im anschließenden Wettbewerb solle möglichst offen diskutiert werden. Zwei Vertreter der Linken, Gitta Rosenkranz und Tom Besenfelder, plädierten ebenfalls für eine Bebauung. Sie setzten sich für den Bau von möglichst viel Wohnraum ein. Die Planungen für einen Konzertsaal an der Stelle des alten Gesundheitsamtes wollten die beiden Linken aber aus dem Vorhaben herausnehmen. Dass sich Tübingen einen derartigen Saal leisten könne, sei auch in zehn Jahren nicht realistisch. Bürgermeister Soehlke hielt entgegen, dass das Land eine Übergabe des Areals des alten Gesundheitsamtes an die Stadt nur für den Bau des Konzertsaals in Aussicht gestellt habe.

Amüsiermeile oder Kongresshotel

Ulf Siebert (Tübinger Liste) hielt dagegen nicht viel davon, am Europaplatz Wohnungen zu bauen. Der Europaplatz mit bester Anbindung an den ÖPNV sei der perfekte Ort, um Gelegenheiten für Studierende zu schaffen, sich zu amüsieren und dabei laut sein zu können. Ein Kongresshotel war dagegen der ursprüngliche Plan der CDU-Fraktion. »Da wird sich wohl keine Mehrheit finden«, sagte Peter Lang. Die Verwaltungsvariante sei daher der bestmögliche Kompromiss. Die Klimaliste hielt dagegen an ihren Forderungen fest, mindestens 60 Prozent der Entwicklungsfläche von 6.000 Quadratmetern als Grünfläche auszuweisen. Davon sollen 30 Prozent als zusammenhängendes parkähnliches Gebiet gestaltet werden. Auf mindestens 500 Quadratmeter Fläche solle ein Tiny Forest angelegt werden. Diese Pläne wurden allesamt einzeln abgestimmt - und von der großen Ratsmehrheit abgelehnt.

Oberbürgermeister Boris Palmer sprach am Ende von einer »Weichenstellung in historischer Dimension« für die Stadt. Über Einzelheiten wie die Grünflächen oder die Geschosshöhe würde zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Die Stadt sei aber auch auf die Einnahmen aus dem Grundstücksverkauf angewiesen. Palmer verwies auch auf ein Gedankenspiel: Wären die französischen Streitkräfte erst vor fünf Jahren abgezogen, würde heute wohl auch für einen Tiny Forest im französischen Viertel plädiert - dort, wo heute 1.500 Menschen leben und arbeiten würden. Für die grundsätzliche Bebauung des Europaplatzes gab es schlussendlich 32 Stimmen. (GEA)